+49 (0)2823 9296820

  

  • 1
  • 2
  • 3

Ein Bibelvers für einen Tag

23. Juni 2020: "Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben," ...  denn "Der Gerechte wird aus Glauben leben." (Römer 1,16.17)

Diese eineinhalb Zeilen haben die Welt verändert. Martin Luther wurde durch sie vor dem Wahnsinn gerettet. Er war fest davon überzeugt, dass niemand aus eigener Kraft in der Lage ist, so zu leben und zu handeln, dass Gott ihn "gerecht" spricht. Dazu müsste er alle Gebote Gottes vollständig erfüllen. Und das vermag niemand. So müsste er Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all seiner Kraft (5. Mose 6,5), doch das tut kein Mensch. Er wendet sich nur dann an Gott, wenn er Hilfe von ihm erwartet. Daher war Luther fest davon überzeugt, dass er der ewigen Verdammnis entgegen gehe. Das heutige Bibelwort veränderte sein Leben grundlegend, weil es ihn zu der Erkenntnis führte, dass Gott mich aus lauter Liebe so annimmt wie ich bin. Der "Sund", (von diesem altgermanischen Begriff ist unser Wort "Sünde" abgeleitet), also der tiefe Graben, der die Menschen von Gott trennt, wird nur mit Gottes Hilfe überwunden. Das Einzige, was der Mensch dazu beizusteuern vermag, ist, Gott bedingungslos zu vertrauen, d.h. an ihn zu glauben. Jesus hat mit seinem Kreuzestod jede Verpflichtung des Menschen Gott gegenüber aufgehoben.Fortan gilt: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan", aber ebenso: "Ein Christenmensch ist ei dienstberer Knecht gegenüber allen Dingen und jedermann untertan". Durch den Glauben bin ich frei Gott gegenüber. Ihm statte ich Dank für die neugewonnene Freiheit ab, indem ich pflichtgemäß gegenüber meinem Mitmenschen handle. Dazu bin ich berufen (daher das deutsche Wort "Beruf"). Nicht mehr mönchische Demut - wie im Mittelalter -, sondern Fleiß, Tüchtigkeit und Pflichtbewusstsein sind die neuen Tugenden des Christenmenschen. So wurde Luthers reformatorische Erkenntnis zur Grundlage des modernen Wirtschafts- und Wissenschaftsverständnisses. Ihm verdanken wir neben anderen deshalb auch unseren Wohlstand.

Die Auswahl der Bibelverse lehnt sich an die Losungen der Herrnhuter-Brüdergemeine an.

 

22. Juni 2020: "Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung ist noch Wechsel von Licht und Finsternis. Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein." (Jakobus 1,17.22)

"Eine stroherne Epistel" nannte Martin Luther den Brief des Jakobus. Er tauge zu nicht mehr, "als dass man mit ihm den Ofen anzünde", meinte Luther, und wäre es nach ihm gegangen, er hätte ihn zusammen mit der Offenbarung des Johannes aus dem Neuen Testament verbannt. Luther zufolge enthalte der Brief zu viele ethische Anweisungen und zu wenig von dem, "was Christum treibet", also zu wenige Aussagen über den christlichen Glauben. Das stimmt nicht. Um dem Brief gerecht zu werden, muss man wissen, dass er ca. 30 Jahre nach den Paulusbriefen verfasst wurde und mit einem Missverständnis aufräumte, welches bei der Lektüre der Paulusbriefe aufkam. Die zentrale These des Paulus: "dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben" (Römer 3,28) wurde dahingehend fehlinterpretiert, dass der Glaubende sich rein "gesinnungsethisch" auf sich und sein Verhältnis zu Christus zu kümmern habe und daher die praktischen Konsequenzen des Glaubens ignorieren dürfe. Diesem Missverständnis begegnet Jakobus energisch: "So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in dich selber" (Jakobus 2,17). "Gesinnungsethik" und "Verantwortungsethik" müssen zusammenfallen. Wenn ich nicht meines Glaubens gemäß lebe, taugt mein Glaube nicht viel. Alle guten und vollkommenen Gaben bekommen wir von Gott (Jakobus 1,17 s.o.), doch wenn wir sie nicht nutzen, bleiben sie fruchtlos. Das würde ich auch den "Gesinnungsethikern" von heute gerne ins Stammbuch schreiben, die häufig mit dem moralischen Zeigefinger drohen, aber nur selten selbst Verantwortung für ihre Forderungen übernehmen.

 

21. Juni 2020: "Und es kam zu ihm ein Aussätziger,der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. Und er (Jesus) empfand Mitleid, und er strckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will´s tun; sei rein." (Markus 1,40-41)

Der heutige Bibeltext erinnert mich stark an eine berühmte Szene aus dem amerikanischen Monumentalfilm "Ben Hur". In dieser Szene ist zu sehen, wie Leprakranke im Alten Orient zur Zeit Jesu behandelt wurden. In fast unzugänliche Schluchten wurden sie verbannt, und wie Tiere mussten sie in Höhlen leben. Über Lastenaufzüge wurden regelmäßig Nahrungsmittel in die Schluchten herabgelassen, auf dass die Leprakranken nicht verhungerten. Ein "Leprakranker" war wirklich ein "Aussätziger" (so das deutsche Wort für "Leprakranker"), oder vielleicht besser noch: ein "Ausgesetzter". Er war nicht nur aus der Gemeinschaft der Menschen, sondern auch vom Gottesdienst ausgeschlossen. Nicht nur die Menschen, auch Gott hatte ihn verlassen. So jedenfalls die landläufige Meinung zur damaligen Zeit. Krankheit war die Strafe für eine begangene Sünde. Wer an der zum Tode führenden Lepra erkrankte, hatte also eine Todsünde begangen. Mit der Heilung des Leprakranken dokumentiert Jesus, dass kein Mensch von Gott verlassen wird, und die Krankheit eine naturbedingte Ursache hat und nicht die Strafe für eine begangene Straftat ist. Darum wird der Leprakranke nach seiner Heilung auch zum Priester geschickt. Der soll die Heilung bestätigen und den Geheilten wieder in die Gottes- und Menschengemeinschaft aufnehmen (Markus 1,43). "Lepra" ist seit 1975 heilbar (so die Weltgesundheitsorganisation), nicht aber das "Ausgesetzt-Sein". Denn das ist der eigentliche Sinn der Heilungsgeschichte (Markus 1, 40-45): Jesus will die Gemeinschaft mit allen Menschen, den Gesunden und Kranken, den Eisamen und Erfolreichen, usw.).

 

20. Juni 2020: "Der feste Grund Gottes besteht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die Seinen; und: Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen des Herrn nennt." (2. Timotheus 2,19)

Der Schreiber des 2. Briefes an Timotheus spielt hier an auf Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde und ruft zu Eintracht und Einmütigkeit auf. "Eintracht und Einmütigkeit" sind aber auch unter Christen nicht immer zu finden, auch wenn man in der Regel bemüht ist, anständiger miteinander umzugehen, als dies draußen in einer immer kälter werdenden Welt geschieht. Ich selbst war neutraler Augenzeuge einer solchen Auseinandersetzung in der Kirchengemeinde eines mir befreundeten Pfarrers. Obwohl sich das Presbyterium dort vorbildlich und engagiert um "Eintracht" bemühte, waren die beiden Pfarrer untereinander so zerstritten, dass die Gemeinde zu zerbrechen drohte. Dass zwei Pfarrer nicht zwangsläufig "harmonisch" miteinander umgehen, ist nichts Außergewöhnliches. So bemerkte bereits Martin Luther (vor 500 Jahren!): "Pfarrer sind wie Mist; über Land verstreut wirken sie fruchtbar, auf einem Haufen stinken sie."  So naturgesetzlich verständlich Streitereien unter Menschen sind, dürfen sie nicht sein, weil Spaltungen in der Gemeinde der Anfang vom Ende sein können (vgl. Paulus Argumentation in 1. Korinther 1,10-17). In der Gemeinde des mir befreundeten Pfarrers wurde der Streit schließlich unter Berufung auf 1. Korinther 1, 10-17 und 2. Timotheus 2, 14-26 beigelegt und unter Druck der Landeskirche beigelegt. Aber, liebe Gemeinde, "Einmütigkeit" bedeutet nicht "Einstimmigkeit. Eine konstruktive Auseinandersetzung ist auch in der Kirche notwendig, um tragfähige Kompromisse zu erreichen. Churchill sagte einmal: "Wo zwei immer derselben Meinung sind, ist einer von den Beiden auf Dauer überflüssig." Nein, die Diskussion bereichert das Leben der Gemeinde. Aber am Ende steht fest: die Mehrheitsentscheidung gilt. Das war in der Urchristenheit oberstes demokratisches Prinzip, und das ist es heute noch.

 

19. Juni 2020: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist." (2. Mose 20,4)

Wenn wir unsere evangelische Kirche in Goch oder die Schlosskirche in Moyland betreten, dürfen wir guten Gewissens behaupten, dass unsere Vorfahren das 2. der Zehn Gebote (2. Mose 20,2-17) wirklich ernst genommen haben. Kein Bild weit und breit (wenn man von gelegentlichen Fotoausstellungen einmal absieht). Doch was ist mit den Erbauern der wunderschönen Barockkirchen in Bayern, des Petersdomes in Rom oder der Marienbasilika in Kevelaer, wo wir uns mit einer (wenn auch schönen) Bilderflut konfrontiert sehen? Müssen sie nun alle in der Hölle schmoren? Mit Sicherheit nicht! Wer Bilder in der Kirche ablehnt, wie es die Bilderstürmer der Reformationszeit getan haben, hat das Gebot nicht weiter gelesen. "Bete sie nicht an und diene ihnen nicht" (2. Mose 20,5), heißt es da. Kein frommer Katholik käme auf die Idee, eine Marienstatue oder irgendeine andere biblische Darstellung für etwas Göttliches zu halten.    Nein, das Gebot ist gegen die Verehrung fremder Götter wie Baal, Moloch, Astarte und Marduk (im Alten Testament) und Zeus, Artemis und anderer Götter (im Neuen Testament) gerichtet. Die Nachbarvölker Israels sprachen deren Marmor- oder Holzstatuen tatsächlich göttliche Kräfte zu. Aber auch Israel lief immer wieder Gefahr, diesem Aberglauben zu verfallen, wie beispielsweise der Tanz um das goldene Kalb beweist (2. Mose 32,1-6). Der Prophet Jesaja polemisiert fanatisch gegen die "toten Götzen" (Jesaja 44,6-20), hebt das alleinige "Gottsein des HERRN" hervor: "Ich bin der Erste und ich bin der Letzte, und außer mir ist kein Gott" (Jesaja 44,6). Und das gilt auch heute noch. Weder war vorzeiten Greta Garbo "die Göttliche", noch sind es Manuel Neuer oder irgendwelche Popikonen heute.

 

18. Juni 2020: "Und Noah tat alles, was ihm Gott gebot." (1. Mose 7,5)

Gott kann sehr zornig sein. Als er sah, dass die Menschheit immer verkommener wurde, beschloss er: "Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde" (1. Mose 6,7). "Ausradieren" hätte das vor ca. 80 Jahren einer gesagt, der sich von der Vorsehung auserwählt wähnte, die Welt zu retten. Doch im Gegensatz zu ihm lässt Gott der Menschheit noch eine Chance. So wird Noah zum Symbol der Hoffnung, denn er "war ein frommer Mann und ohne Tadel zu seinen Zeiten und er wandelte mit Gott" (1. Mose 6,9). Sie alle kennen natürlich die dann folgende Geschichte. Mit Hilfe einer Arche rettet Noah seine achtköpfige Familie und die gesamte Tier und Pflanzenwelt vor der Sintflut. Die Sintflutgeschichte (1. Mose 6,5 - 8,22) ist die älteste uns bekannte Darstellung der Folgen des Klimawandels. Dass man mit einem wasserdichten Schiff den "Gen - Pool" der belebten Welt nicht retten kann, weiß heute jedes Kind. Doch darum geht es in unserer Geschichte nicht. Sie zeigt vielmehr auf, dass der Mensch, der Gottes Willen und seine Schöpfungsordnung ernst nimmt, in der Lage ist, selbstgemachte Fehler zu beheben. Die Erde zu "bebauen und bewahren" (1. Mose 2,15) heißt eben auch, Bequemlichkeit, Wohlstand und alt hergebrachte Gewohnheiten einzuschränken, um den Nachkommen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. 40 Tage und Nächte in eine fensterlose Holzkiste eingefercht zu sein, übertrifft schließlich jede 40 tägige Haft in einer deutschen Strafanstalt bei weitem. Die Erde wird in unserer Geschichte gerettet. Aber der Durchschnittsmensch hat sich kaum geändert und wird sich wohl nicht mehr verändern, stellt Gott am Ende der Sintflutgeschichte Fest: "Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des Menschen ist böse von Jugend auf. Solangedie Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht" (1. Mose 8,21.22).

 

17. Juni 2020: "Sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht.“ (Kolosser 1,12) 

Für den Schreiber des Kolosserbriefes ist die Sache klar: wer an Christus glaubt und in seine Nachfolge tritt, der hat bereits jetzt das ewige Heil erlangt. Für einige Gemeindeglieder in Kolossä in Kleinasien (auf dem Gebiet der heutigen Türkei) scheint die Sache nicht so klar zu sein. „Irrlehrer“ haben sie zu falschen Glaubensauffassungen verführt (Kolosser 2,4-10). Die abenteuerlichste unter ihnen hört sich so an: nach dem Tod eines Menschen hält Gott Gericht über ihn. Stellt sich nun heraus, dass sein irdisches Leben nicht moralisch einwandfrei verlaufen ist, muss er zur Strafe noch einmal zurück auf die Erde. Allerdings auf einer niedrigeren Stufe. Ein Mann müsste sein Leben also als Frau zurück auf die Erde, was uns heutzutage nicht besonders tragisch anmutet, allerdings des damaligen Frauenbildes doch schon ein beschwerlicheres Dasein bedeutete. Verlief auch dieses Leben nicht ordnungsgemäß, durfte man als Tier zurück auf die Erde und hatte damit die Chance verspielt, das ewige Heil zu erlangen. Nur den völlig „geistig Reinen“ war es vergönnt, Gottes Herrlichkeit zu schauen. Gegen diese „Irrlehre“ läuft der Schreiber des Kolosserbriefes (wahrscheinlich ein Schüler des Paulus) Sturm. Wer zu Christus gehört, ist bereits Gerettet und bedarf des oben beschriebenen „Irrweges“ nicht. Denn: „In ihm (Christus) wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war“ (Kolosser 2,9.14).

 

16. Juni 2020: "Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger.“ (Johannes 8,31)

Jesus spricht dieses Wort zu Juden, die schon zum Glauben an ihn gekommen sind. „Messianische Juden“ würden wir sie heute nennen. Und doch besitzt dieses Wort eine außerordentliche Sprengkraft. Dies unterstreichen die auf unser neutestamentliches Losungswort folgenden Verse: „Und (ihr) werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“ (Johannes 8,32-34). Jesus zufolge genügt es nicht, zu sagen: ich gehöre hinsichtlich meiner Abstammung zu Gottes Volk und stehe deshalb automatisch auf seiner Seite. O nein, sagt Jesus, die genetische Abstammung besagt gar nichts. Nur derjenige, der sich in seinem Leben von Gottes Willen bestimmen lässt, gehört wirklich zu Gott. Jeder, der das nicht tut, ist ein Sünder. Das revolutionär Neue an Jesu Botschaft besteht darin, dass sich die Zugehörigkeit zu Gott ausschließlich am Verhältnis des Glaubenden zu ihm, „Jesus Christus“, entscheidet. Juden und Heiden stehen auf einer Stufe. Wer an Jesus Christus glaubt, ist gerettet, wer das nicht tut, ist verdammt. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht“ (Johannes 5,24), denn: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Johannes 14,6). So radikal spricht weder Jesus bei Matthäus, Markus und Lukas noch Paulus in seinen Briefen (vergleiche Römer 9,1-5; 11,17-32). Aber eines ist sicher: „Der Glaube kommt aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi“ (Römer 10,17). Wer also sagt: „ Ich finde Gott nicht in der Kirche, sondern nur im Wald am Sonntagmorgen“, der sollte wissen, dass der Wald zwar ein schönes Beispiel für Gottes Schöpfermacht ist, finden werde ich ihn aber im Wald nicht.

 

15. Juni 2020: "Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird auch uns auferwecken mit Jesus.“ (2. Korinther 4,14)

Ein berühmter Theologe sagte einmal: „Wir Christen sind nicht besser als andere, aber wir sind besser dran.“ Die Situation des Paulus und seine Erlebnisse mit der Gemeinde in Korinth beweisen das sehr deutlich. Von christlicher Nächstenliebe ist häufig nicht viel zu spüren. Da gibt es zum Beispiel den sozialen Konflikt. Wenn sie das Abendmahl miteinander feiern, kommt es nicht selten vor, dass die Wohlhabenden schon satt und betrunken sind (das Abendmahl war zu der Zeit ein wirkliches Abendessen), während die armen Hafenarbeiter, die meist erst später dazu stoßen, leer ausgehen (1. Korinther 11, 17-34). Da führen unterschiedliche Glaubensauffassungen zu Spaltungen in der Gemeinde (1. Korinther 1,10-17). Auf der anderen Seite spürt die Gemeinde auch schon Anfeindungen von Seiten der nichtchristlichen Umwelt (2. Korinther 4,7-18), und Paulus ist häufig krank oder sitzt im Gefängnis (2. Korinther 1,3-11). Pietisten malen die urchristliche Zeit gerne in schönsten Farben aus, indem sie sie als Zeit der Glaubensstärke und Harmonie darstellen, an der sich ihre eigenen Gemeinden ein Beispiel nehmen sollen. Wie eben gezeigt, sah die Wirklichkeit, ganz anders aus. Auch der Christenmensch war, ist und bleibt „Sünder“, der der Gnade Gottes bedarf, und der Weg der Nachfolge Christi ist immer auch ein „Kreuzweg“. Wie Christus müssen auch wir leiden, am Ende aber werden wir wie er mit der Aussicht auf die Auferweckung von den Toten getröstet werden (2. Korinther 1,5; 4,14).

 

14. Juni 2020: "Du hast den Menschen zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan.“ (Psalm 8,7)

Ist der Mensch die „Krone der Schöpfung“? Antwort: Nein. Der Mensch ist ein ganz gewöhnliches Geschöpf. Ein Blick in den 104. Psalm beweist es eindeutig. Dem Dichter dieses grandiosen Schöpfungspsalms ist der Mensch nur eine Randnotiz Wert (Psalm104,23). Über ihn weiß er nur zu berichten, dass er von morgens früh bis abends spät arbeitet. Um wie viel besser kommen da doch der Wein, das Öl („Körperlotion“ würden wir heute sagen) und das Brot weg. Der Wein „erfreut des Menschen Herz“, das Öl verschönert sein Antlitz, und das Brot stärkt sein Herz (Psalm 104,15). Die Winzer, die Kosmetikhersteller und die Bauern und Bäcker können sich freuen. Ja, der Mensch ist ein ganz gewöhnliches und nicht herausgehobenes Geschöpf, das am Ende seines Lebens zu Staub zerfällt (Psalm 104,29). Im Gegensatz dazu bleibt „die Herrlichkeit des HERRN ewiglich“ (Psalm 104,31). Ganz anders beschreibt der Dichter des 8. Psalms die Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung. In Anlehnung an die erste Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1) nimmt der Mensch eine herausragende Stellung in der Schöpfungsordnung ein. „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“ (Psalm 8,6). Und doch bleibt der Mensch auch hier Gottes Willen unterworfen: „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Psalm 8,5). Auch im 8. Psalm ist der Mensch nicht die „Krone der Schöpfung“, sondern lediglich „privilegiert“. Er nimmt nur deshalb eine Sonderstellung innerhalb der Schöpfung ein, weil er mit Gott kommunizieren kann. Das verpflichtet ihn aber auch dazu, die Erde „zu bebauen und bewahren“ (1.Mose 2,15). Wer aus übertriebenem Gewinnstreben die Erde schändet, lebt und handelt nicht im Einklang mit Gottes Schöpfungswillen.

 

13. Juni 2020: "Und Gott machte zwei große Lichter: Ein großes Licht, das den Tag regiere und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne." ( 1. Mose1,16)

Schon früh haben sich Bibelwissenschaftler gefragt, warum der Verfasser der ersten Schöpfungsgeschichte sich hier so kompliziert ausdrückt. Warum spricht er nicht einfach von Sonne und Mond? Dieser biblische Bericht wurde während der babylonischen Gefangenschaft des Volkes Gottes geschrieben. Israel begegnete hier dem Kult Babylons. Sonne und Mond wurden in Babylon als Götter verehrt. Vor etwa 30 Jahren veröffentlichte Carl Friedrich von Weizsäcker ein lesenswertes Buch mit dem Titel: Die Tragweite der Wissenschaft. Schöpfungsglaube und Weltentstehung – die Geschichte zweier Begriffe. In diesem Buch stellt von Weizsäcker die These auf, dass es kein Zufall sei, dass der jüdisch-christliche Kulturkreis Naturwissenschaft und Technik hervorgebracht habe. In der gesamten Welt des Altertums galt die Welt als göttlich. In der ersten Schöpfungsgeschichte wurde erstmalig die Welt radikal entgöttert. Im Aufblick zum einen Gott erschien die Welt als Schöpfungswerk Gottes. Naturwissenschaft und Technik verdanken wir also dieser veränderten Sichtweise aus der ersten Schöpfungsgeschichte. Darum – so C.F.von Weizsäcker - verhält sich ein Wissenschaftler, der sich über die biblischen Religionen lustig macht, wie ein Apfel , der den Baum verspottet, der ihn hervorgebracht hat. Auch der Mensch reiht sich bei den Geschöpfen ein und ist deshalb mit ihr verbunden. Die Schlange im Paradies verspricht uns mehr: "Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ (1.Mose3, 5) Die Bibel stellt uns somit in ein solidarisches Verhältnis zu allem Leben der Schöpfung. Darum gefährden wir uns selbst, wenn wir vergessen, dass wir Geschöpfe sind, behutsam und bewahrend in ihr leben und die Schöpfung und nicht beherrschen und ausbeuten sollen.

 

12. Juni 2020: "Du, HERR, du kennst mich, du siehst mich und prüfst, ob mein Herz bei dir ist.“ (Jeremia 12,3)

Sie alle kennen den Spruch: „Das geht mir an die Nieren“. In der Regel bezeichnen wir damit einen Gemütszustand, der unsere innersten Empfindungen nach einem seelisch belastenden Ereignis widerspiegelt. Die Nieren sind nach dem Alten Testament der Sitz der Gefühle. Im Gegensatz zu unserem landläufigen Gebrauch des Begriffs steht das Herz im Alten Testament für den Verstand.  Jeremia, und nichts anderes besagt das heutige Losungswort, weiß sich zu hundert Prozent auf Gottes Seite stehend. Sein Verstand ist ganz auf Gott und dessen Auftrag an ihn ausgerichtet. Aber Jeremia ist enttäuscht. Er und seine Botschaft im Namen Gottes werden nicht verstanden, aber auf die Gottfernen wird gehört. Und er spricht einen Satz aus, der auch mir oft über die Lippen kommt: „Warum geht´s doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?“ (Jeremia 12,1) Ja, mehr noch. Später wird Jeremia um seiner Botschaft willen sogar verschleppt, mehrmals gefangen genommen und sogar in eine Zisterne geworfen (Jeremia 26.37.38). Er erfährt also schon vor Jesus, dass der Weg im Namen Gottes immer auch ein Kreuzweg ist (wenn in seinem Fall auch noch ohne Kreuz). Auch wir heutigen Christen können diese Erfahrung immer wieder machen, obgleich sie uns in der Regel nicht in Lebensgefahr bringt. Doch wie oft begegnen uns Hohn und Spott, wenn wir uns außerhalb des geschützten Bereiches der Kirchengemeinde zu unserem Glauben an Jesus Christus bekennen.  Daher freut es mich, dass in diesen Tagen am Bauzaun des entstehenden Gemeindehauses ein Satz aus dem 2. Brief an Timotheus zu lesen ist: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2.Timotheus 1,7). Einerseits macht er uns Mut zu einem klaren Bekenntnis, und andererseits lesen ihn auch die „Gottlosen und Abtrünnigen“.

 

11. Juni 2020: "Der Engel des Herrn kam in das Gefängnis und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.“ (Apostelgeschichte 12,7)

In den 1980er Jahren kam ein sehr lesenswertes Buch heraus, das den Titel trug: „Gottes Engel brauchen keine Flügel“. Ich kann Ihnen dieses Buch nur zur Lektüre empfehlen, beugt es doch einem allgemeinen Vorurteil vor. „Gottes Engel“ müssen nicht unbedingt geflügelte Himmelsbewohner sein. Oft sind es ganz normale Menschen, die als „Boten Gottes“ den Mitmenschen in Krisenzeiten beistehen. So auch in der Episode, der das heutige Losungswort entstammt. Herodes Agrippa, ein Nachfolger des Kindesmörders Herodes (Matthäus 2,1-11), hatte Jakobus, einen Jünger Jesu und Bruder des Johannes mit dem Schwert hinrichten und Petrus ins Gefängnis werfen lassen. Er sollte nach dem Passa – Fest dem Volk überantwortet werden. So sollte die verhasste Sekte der Christen endgültig ausgemerzt werden. Der Bote Gottes befreit Petrus aus der lebensbedrohlichen Lage. Als sich Abraham anschickt, seinen Sohn Isaak zu opfern (1. Mose 22, 1-19), ist es ebenfalls ein Gottesbote, der ihn daran hindert. Dieser allerdings vom Himmel herab (1. Mose 22,11). Auch der Enge Gabriel wurde vom Himmel zur Jungfrau Maria gesandt, um ihr die Geburt Jesu anzukündigen (Lukas 1,26-36) und die lobpreisenden Engel der Weihnachtsgeschichte kehren dorthin zurück (Lukas 2,15). Doch ansonsten handelt es sich bei ihnen um ganz gewöhnliche Menschen, die sich von Ihm in Dienst nehmen lassen ( z.B. die Richter, König David, usw.). So dürfte es sich auch in Apostelgeschichte 12 um einen normalen Menschen gehandelt habe, der einmalig bereit war im Namen Gottes an Petrus zu handeln. Auch den am häufigsten gewählten Taufspruch: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“ (Psalm 91,11), deute ich in diese Richtung. Vater und Mutter, die Paten, ja, die ganze Familie und natürlich die Gemeinde sind von Gott beauftragt, dem Kind Geborgenheit und eine gedeihliche Entwicklung zukommen zu lassen. So kann auch jeder von uns in seinem jeweiligen Umfeld zum Boten Gottes werden.

 

10. Juni 2020: "Jesus nahm die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel, dankte und brach die Brote und gab sie den Jüngern, dass sie sie ihnen austeilte, und die zwei Fische teilte er unter sie alle. Und sie aßen alle und wurden satt.“ (Markus 6,41-42)

Das heutige neutestamentliche Losungswort ist der Geschichte von der „Speisung der Fünftausend“ entlehnt. Es ist die einzige Episode aus dem Leben Jesu, die von allen vier Evangelisten überliefert wurde (Markus 6,30-44; Matthäus 14,13-21; Lukas 9,10-17; Johannes 6,1-13), mit Ausnahme der Passions- und Ostergeschichten natürlich. Warum, so habe ich mich oft gefragt, war den Evangelisten gerade diese Geschichte so wichtig? Und was sollte überhaupt dieses Wunder? Hätten sich die Zuhörer Jesu nicht genügend Butterbrote mitnehmen können, wenn sie sich doch auf einen langen Tag mit Jesus eingestellt hatten (Markus 6,34)? Ich glaube, man wird der Geschichte nicht vollends gerecht, wenn man den Fokus zu sehr auf das Wunder richtet. Gewiss, zu allen Zeiten war das „Wunder des Glaubens liebstes Kind“ (Goethe, Faust I, Nacht). Doch das dürfte in unserer Geschichte nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, zumal die Heilung des Aussätzigen (Markus 1,40-45; Matthäus 8,2-4; Lukas 5,12-16), die Heilung des Gelähmten (Markus 2,1-12; Matthäus 9,1-8; Lukas 5,17-26) und erst recht die Auferweckung des Lazarus (Johannes 11,1-45) zweifellos die größeren Wunder waren. Unsere Geschichte verdeutlicht etwas anderes: Jesus will die Gemeinschaft mit den Menschen. Ja, mehr noch: der Glaube verwirklicht sich in der Gemeinschaft. So wie Gott mit seinen Weisungen („Zehn Gebote“ 2. Mose 20,2-17) und in seinen Taten („Rettung aus Ägypten“ 2. Mose 3-14, u.a.) immer ganz Israel im Blick hatte, so sieht auch Jesus in der Gemeinschaft der ihm Nachfolgenden den Glauben verwirklicht. Heute ist die Kirchengemeinde der Ort einer solchen Gemeinschaft. Natürlich kann ich auch im stillen Kämmerlein oder im Wald zu Gott finden. Aber erst in der Gemeinschaft finde ich Helfer, die mich aufrichten, wenn der Glaube in die Krise gerät. So wie ein Stück Kohle, noch eine Zeitlang glüht, wenn ich es aus dem Feuer nehme, bald aber unweigerlich erlischt, so droht auch der Glaube ohne Gemeinschaft schnell zu erlöschen.

 

9. Juni 2020: "Du sollst nicht stehlen.“ (2. Mose 20,15)

Das heutige alttestamentliche Losungswort stammt aus einem der bekanntesten Texte der gesamten Bibel: den 10 Geboten. Manch einer von Ihnen dürfte sie im Konfirmandenunterricht  auswendig gelernt haben. Sie gehören zum ewigen Bestand der Geistesgeschichte. Sie übten einen entscheidenden Einfluss auf die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen aus und auf die Abfassung des Grundgesetzes. Doch sie wurden oft missverstanden. Genau genommen handelt es sich bei ihnen weder um Gebote noch um Verbote. Sie sind vielmehr „Handlungsanweisungen für ein gelingendes Leben“ oder besser noch: „Warnschilder am Abgrund“. Liest man sie vor dem Hintergrund des Einführungssatze: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe“, dann wird deutlich, dass es sich bei ihnen um wohlgemeinte Weisungen eins liebenden Gottes handelt. Wenn ich dich befreit habe, dann hast du es doch nicht nötig, deine Freiheit dazu zu missbrauchen, dass du die Gemeinschaft, in der du lebst, gefährdest. Eine kleine Geschichte aus dem Kaukasus belegt das, worum es geht, sehr eindrucksvoll. Vor etwa 300 Jahren lebten dort wilde Bergstämme, die ihr oft kärgliches Einkommen durch Beutezüge aufstockten. Einer dieser Stämme war dabei besonders erfolgreich. Nach dem Grund ihres Erfolges befragt, verwiesen die Stammesangehörigen auf ihren Stammesführer, den sie „Schemil, den Gerechten“ nannten. Er teilte alles Erbeutete völlig gerecht unter den Stammesangehörigen auf. Jeder bekam das, was ihm zustand. Alle lebten glücklich und zufrieden.    Doch das änderte sich eines Tages schlagartig. Nach einem erfolgreichen Beutezug fehlte dem einen ein wertvoller Ring, einem anderen eine kostbare Kette, einem dritten schließlich ein goldener Becher, und so weiter. „Kameradendiebstahl“ würde man beim Militär sagen. Augenblicklich war es mit der Harmonie im Stamm vorbei. Jeder misstraute jedem. Um den Zusammenhalt wieder herzustellen, ordnete Schemil an: Wer beim Diebstahl ertappt wird, soll „drakonisch“ bestraft werden (50 Stockhiebe auf den entblößten Rücken). Diese Ansage erzielte zunächst die erhoffte Wirkung. Die Diebstähle hörten auf. Doch bereits nach vier Wochen kam es zu erneuten Diebstählen. Glücklicherweise wurde der Täter auf frischer Tat gestellt. Doch die Freude hierüber wich schnell der Ernüchterung, als bekannt wurde, wer der Täter war. Es war die Mutter des Stammesführers. Nun befand sich dieser in einer Zwickmühle. Wie sollte er handeln. Er wusste, 50 Stockhiebe auf den entblößten Rücken würde seine Mutter nicht überleben. Ließe er deshalb aber Gnade vor Recht ergehen, würde er in seinem Stamm unglaubwürdig. Denn dann hieße es bald: „Jeder von uns wäre bestraft worden, aber bei seiner eigenen Familie wird eine Ausnahme gemacht.“ Andererseits liebte Schemil seine Mutter und wollte ihren Tod verhindern. So ließ er den Tag der Bestrafung ansetzen, und die Strafe wurde vollzogen; aber vollzogen wurde sie am Stammesführer selbst. So kam beides zur Geltung: das Recht wurde nicht gebeugt; die Strafe wurde ja vollzogen. Aber auch die Liebe siegte; die Mutter durfte leben.   So sind auch die zehn Gebote „Handlungsanweisungen“ eines liebenden Gottes und nicht nur Disziplinierungsanordnungen.

 

8. Juni 2020: "Auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.“ (Römer 8,21)

Der heutige neutestamentliche Losungstext muss in einem größeren Zusammenhang gelesen werden (Römer 8,19-22). Paulus sieht hier die Schöpfung der „Nichtigkeit“ (Luther: „Vergänglichkeit“) unterworfen, hört sie „ klagen“ und „vor Schmerzen jammern“ (Luther: „seufzen und sich ängstigen“; Römer 8,22). In den zurückliegenden Jahrzehnten beriefen sich immer wieder christlich motivierte Aktivisten auf unseren Text (Römer 8,19-22), um ihren Einsatz für den Erhalt einer gesunden Umwelt zu begründen. Natürlich steht außer Frage, dass der Protest gegen eine gnadenlose Profit- und Ausbeutermentalität im Umgang mit der Schöpfung mehr als berechtigt ist, aber das weiß ein Christenmensch auch so. Schließlich ist sein Umgang mit Natur und Umwelt immer von dem Wissen getragen, dass sie Gottes Schöpfung sind (1. Mose 1), und damit Gott und nicht dem Menschen gehören. Darum ist der Mensch beauftragt, die Erde zu „bebauen und bewahren“ (1. Mose 2,15). Doch darum geht es in unserem Text nicht, weil es Gott selbst war, der die Erde der „Vergänglichkeit“ unterworfen und damit dem Untergang preisgegeben hat (Römer 8,20). Paulus spielt auf den Sündenfall (1. Mose 3) an. Mit Adams Ungehorsam begannen Elend und Untergang der Welt. Auch die Christen bekommen täglich dieses Szenarium zu spüren. Doch ist ihr Leben von der Hoffnung getragen, dass am Ende, die den „Kindern Gottes“ verheißene „Herrlichkeit“, an ihnen offenbar wird (Römer 8,18.24). In ihr Schicksal wird dann die gesamte Schöpfung mit einbezogen und damit gerettet.

 

7. Juni 2020: "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Korinther 13,13)

Das heutige Bibelwort ist der „Ur -  Vers“ der „Dreieinigkeitslehre“. Paulus hätte sich wohl nie träumen lassen, dass er einmal der Auslöser einer fast 400 Jahre andauernden Diskussion würde, als er mit ihm den 2. Korintherbrief beendete. Die „Dreieinigkeitslehre“ ist einerseits Grundlage unseres Glaubensbekenntnisses, andererseits aber auch ein Hindernis im Dialog mit dem Judentum und dem Islam. Beide wittern hier „Vielgötterei“, für Juden wie Muslime eine Todsünde. „Höre Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“ (5. Mose 6,4-5), betet der fromme Jude jeden Tag. „Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Gütigen. Lob sei Allah, dem Herrn der Menschen in aller Welt, dem Barmherzigen und Gütigen, der am Tag des Gerichts regiert“ (Beginn der 1. Sure), betet der fromme Muslim. „Der eine, alleinige Gott“ ist zentraler Mittelpunkt ihres Glaubens. Im Glauben an „Gott Vater“, „Gott Sohn“, und „Gott, dem Heiligen Geist“, sehen sie den Glauben an drei Götter, was ihrem jeweiligen Glauben fundamental widerspricht. Doch, sie irren sich. Wenn wir Christen von Vater, Sohn und Heiligem Geist reden, dann sprechen wir von „drei „Erscheinungsformen“ ein und desselben Gottes.Gott Vater ist der Schöpfer, der uns in Jesus Christus erlöst hat und uns als Heiliger Geist die Kraft verleiht, an Christus zu glauben und in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, diese Welt zu verändern.

 

6. Juni 2020: "Weil wir ein Reich empfangen, das nicht erschüttert wird, lasst uns dankbar sein und so Gott dienen.“ (Hebräer 12,28)

Martin Luther mochte den Hebräerbrief nicht, obwohl er doch sprachlich und hinsichtlich seiner logischen Gedankenführung die herausragende Schrift des Neuen Testaments war. Über die Auferstehung Jesu verliert er kein Wort, und die Rechtfertigung des Sünders (Luthers Zentralanliegen) spielt keine Rolle. Schloss er im griechischen Original direkt an die Paulusbriefe an, versetzte ihn Luther in seiner Bibelübersetzung ans Ende. Nur der Jakobus- und der Judasbrief, sowie die Offenbarung des Johannes fanden noch weniger Achtung in seinen Augen.  Dabei zeigt uns der Hebräerbrief, wie kein anderer Brief des Neuen Testaments, die Konsequenzen des christlichen Glaubens auf. Der Glaube bedeutet nicht nur Frieden, Hoffnung und eine Orientierung fürs Leben, sondern bedauerlicherweise auch Leid und Verfolgung. Das mussten etliche Nachfolger Christi in der Geschichte der Kirche immer wieder erfahren. Ein Blick auf einige „Heilige“ des 20.Jahrhunderts möge das unterstreichen. Der weltberühmte „Urwalddoktor“ Albert Schweizer ist ein schönes Beispiel dafür. Er setzte sich für die ausgestoßenen Kranken, die Ärmsten der Armen in Afrika ein und wurde dafür 1952 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. In einer Erhebung des Shell-Konzerns nannten 1959 junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren auf die Frage nach ihrem größten Vorbild seinen Namen an erster Stelle. Und das weltweit. Vergleichbare Ehrungen wurden auch Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King und Mutter Theresa zuteil. Doch ihr „Weg der Humanität“ in christlicher Nachfolge hinterließ auch „Leichen“ am Wegesrand. Schweizers Ehefrau und seine Tochter vertrugen das Klima in Afrika nicht, weshalb an ein normales Familienleben nicht zu denken war. Seine Tochter hat ihm das nie wirklich verziehen. Dietrich Bonhoeffers langjährige Verlobte hätte ihn auch lieber geheiratet als beerdigt, und Martin Luther Kings Kinder waren auch nicht beglückt, einen „Knastbruder“ zum Vater zu haben. Und so „glorreich“ verlief Mutter Theresas Leben auch nicht. Lesen sie mal ihre Lebenserinnerungen. Mich erinnern diese Beispiele an den Satz eines Pfarrersohnes: „Unser Haus war für alle offen, nur nicht für uns.“   Ja, „gelebter Glaube“ bedeutet immer auch „wirkliches Opfer“. Doch der Einsatz auf dem „Weg der Humanität“ ist notwendig, um dieser immer „werteloser“ werdenden Welt die Hoffnung auf ein gerechteres und friedvolleres Leben zu erhalten, und die Bereitschaft zu stärken, dafür auch zu arbeiten und zu kämpfen.

 

5. Juni 2020: "Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.“ (Matthäus 4,1) 

Das heutige Bibelwort ist einem der eindrucksvollsten Abschnitte des Neuen Testaments entlehnt: der dreifachen Prüfung Jesu durch den „Versucher“ (Matthäus 4,1-11). Und mal ehrlich, könnten wir den hier aufgezeigten Versuchungen wirklich widerstehen. Nach vierzig Tagen in der Wüste hungert Jesus. Ist da nicht die Versuchung groß, aus den zahlreich herumliegenden Steinen Brot zu machen? Und ein Sprung vom Tempeldach, bei dem er unverletzt bliebe, sorgte auch heute noch für weltweite Schlagzeilen. Die Erringung der uneingeschränkten Weltherrschaft schließlich ist noch keinem Potentaten der Geschichte gelungen. Auf unsere Zeit übertragen könnte man die drei Versuchungen mit folgenden Begriffen wiedergeben: Reichtum, Ruhm und Macht. Jesus lehnt die Angebote des Versuchers ab. Reichtum mag die Grundlage eines „befriedigten Lebens“ sein, nicht aber eines „erfüllten“. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben ( die Liebe des Partners, das Lächeln des Kindes, usw.) kann man nicht kaufen. Ruhm verblasst oft genauso schnell wie er gekommen ist. Und Macht ist nur dann etwas Positives, wenn sie genutzt wird, um die anstehenden Probleme der Menschheit zu beheben. Macht als Selbstzweck verführt den Menschen oft zu unüberlegten Handlungen, schafft ihm eine Menge Feinde und lässt ihn innerlich verkümmern. Jesus zeigt uns einen anderen Weg auf. Einen Weg, der nicht zum „befriedigten Leben“ führt (mein Haus, mein Auto, mein Boot), sondern zu einem „erfüllten“. Der gelassenere Umgang mit sich selbst und anderen, die Hoffnung auf „ewiges Leben“, die uns die Angst vor dem Tod nimmt und uns befähigt, unser Leben bewusster und nicht durch äußere Zwänge getrieben, zu leben. Martin Luther hat diese Zielrichtung unübertroffen zusammen zu fassen gewusst: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan (durch den Glauben). Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan (in der Liebe).“

 

4. Juni 2020: David sprach zu Goliat: „Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des HERRN Zebaoth.“ (1. Samuel 17,45)

Am 15. Juli 2018 fand in Moskau das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Frankreich und Kroatien statt. Welcher der beiden Mannschaften haben Sie die Daumen gedrückt? Ich gebe unumwunden zu: den Kroaten. Nicht, weil ich etwas gegen die Franzosen habe oder zuvor eine Wette abgeschlossen hatte, nein, mein Herz schlägt immer dann, wenn die deutsche Mannschaft nicht beteiligt ist, für den vermeintlich Schwächeren. Bei einem Kampf zweier unterschiedlich starker Mannschaften spricht man meist von einem Kampf „Davids gegen Goliat“ und beruft sich dabei bewusst oder unbewusst auf die Geschichte, aus der unser heutiges Losungswort stammt, eine Geschichte die zeigt: auch Gott stellt sich auf die Seite der Schwächeren. den Stotterer Moses zieht er seinem redegewandte Bruder Aaron vor, die unfruchtbare Hanna gebiert den großen Propheten Samuel, die unbedeutende Jungfrau Maria bringt seinen Sohn zur Welt, und die „Frohe Botschaft“ von der Geburt des „Heilandes“ wird den gesellschaftlich geächteten Hirten zuteil und nicht einem hohen Regierungsbeamten. Und so ist es nicht verwunderlich, dass in unserer Geschichte der kleine David, der zudem noch schlecht bewaffnet ist (eine Schleuder und fünf Kieselsteine), den hochgerüsteten Philister Goliat (einen kriegserprobten Hünen) besiegt und am Ende sogar tötet. Gott setzt nicht auf die Kraft eines Menschen, sondern auf seine Intelligenz und dessen Bereitschaft , seinen (Gottes) Willen in dieser Welt umzusetzen. „Jakob“, zu Deutsch „der Listige“, wird darum zu einem der Stammväter Israels und nicht irgendein waffenstrotzender Weltherrscher.

 

3. Juni 2020: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lukas 2,14)

"Jeder Übersetzer ist ein Verräter“, sagte einmal in einem Seminar ein Professor zu uns. Ich finde, er hat recht. Denn die innersten Empfindungen, die in einem Satz mitschwingen, lassen sich selten in eine andere Sprache übertragen. Kein Engländer oder Amerikaner würde sie verstehen, übersetzten sie den Satz: „Ich habe die Nase voll“ wörtlich ins Englische. Das Eigentümliche einer Sprache lässt sich nur durch eine sinngemäße Übertragung vermitteln. Ein schönes Beispiel hierfür ist das heutige Bibelwort. Konrad Adenauer schloss seine Silvesteransprache 1956 mit den Worten: „Friede auf Erden bei den Menschen guten Willens.“ Er setzte dabei auf die Bereitschaft seiner Zuhörer, die dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen und künftig solidarisch und gemeinschaftsfördernd zu handeln, eben als „ Menschen guten Willens“. So begrüßenswert dieser Wunsch auch ist, Adenauer kann sich damit nicht auf den Lobgesang der Engel aus der Weihnachtsgeschichte berufen. Er fiel nämlich auf die – in diesem Fall – falsche lateinische Übersetzung des Kirchenvaters Hieronymus herein. Von „Menschen guten Willens“ ist im griechischen Original gar nicht die Rede. Dort heißt es: „Friede auf Erden bei den Menschen seines (des göttlichen) Wohlgefallens. Gottes Wille - und nicht der schwach entwickelte des Menschen – ist das Entscheidende. An welchen Menschen aber hat Gott sein Wohlgefallen? Nun, es sind die, die wir ausgrenzen und verachten. Die Hirten der Weihnachtsgeschichte gehören zu den „asozialen Randgruppen“ der Gesellschaft. Doch wird gerade ihnen die Frohe Botschaft von der Geburt des Heilandes zuerst verkündet. Gott holt die, die im Schatten stehen, wieder ins Licht zurück. Weil die von ihm geschaffene Welt schon lange nicht mehr „sehr gut“ (1.Mose 1,31) ist, kommt Jesus für die Ausgestoßenen, Einsamen und Verlassenen in diese Welt, um Oben und Unten wieder auszugleichen. Wie heißt es schon im Lobgesang der Maria: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“ (Lukas 1,52). Und Jesus fasst Gottes Plan mit den Worten zusammen: „ Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ (Lukas 19,10).

 

2. Juni 2020: "Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN.“ (1. Samuel 2,1)

Das heutige Losungswort entstammt dem Dankgebet einer ehemals völlig verzweifelten Frau. Hanna, so ihr Name, konnte keine Kinder bekommen. Das galt im Alten Israel als Makel. Was ihre damalige Lebenssituation aber unerträglich machte, war die Tatsache, dass die zweite Frau ihres Mannes Elkana (ein Mann durfte damals mehrere Frauen haben), Peninna, sie Deshalb permanent kränkte. Peninna hatte ihrem Mann etliche Söhne geschenkt und fühlte sich darum Hanna überlegen. In ihrer Verzweiflung machte sie sich zum Heiligtum Gottes auf, um Gott anzuflehen, ihr doch ein Kind zu schenken. Gott erhört ihr Flehen und befreit sie von dem scheinbaren „Makel“. Sie bringt einen Sohn zur Welt, dem sie den Namen „Samuel“ gibt, was im Deutschen so viel wie „Ich bin von Gott erhört“ bedeutet. Zum Dank für ihre Erhörung weiht sie Samuel dem HERRN und übergibt ihn, nachdem sie ihn entwöhnt hat, Eli, dem Priester des Heiligtums zur weiteren Erziehung.  Samuel reift zu einem großen Propheten heran, der die weitere Geschichte Israels maßgeblich beeinflusst hat (1. Und 2. Buch Samuel). „Mein ganzes Leben hat einen neuen Sinn bekommen, eine neue Zielrichtung, und es ist befreit von Angst und Schmach.“ So könnte man das heutige Losungswort „Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN“ (1. Samuel 2,1) auch übersetzen. Das bedeutet aber auch: der Glaube ist nicht einfach „des Wunders liebstes Kind“, wie es in Goethes Faust heißt, und andererseits darf man das „Wunder“ auch nicht als „Selbstzweck“ missverstehen. Es ist eben nicht einfach die „magische Großtat“ eines der Welt Überlegenen, mit der er seine Machtfülle demonstriert. Das Wunder ist lediglich „Hilfe in größter Not“. Der Glaube ist die Reaktion darauf. Er ermöglicht das Vertrauen auf den, der in der Vergangenheit geholfen hat und stärkt die Gewissheit, dass dieser auch künftig helfen wird. Durch den Glauben erhält darum mein Leben einen neuen Sinn und er macht mich stark, mein Leben neu auszurichten.

 

1. Juni 2020: Und die Menschen sprachen: "Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ Darum „zerstreute sie der HERR in alle Länder, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen.“ (1. Mose 11,4.8)

Die berühmte Geschichte vom "Turmbau zu Babel“ (1. Mose 11,1-9), aus der der heutige Bibeltext stammt, bietet ein Kontrastprogramm zur "Pfingstgeschichte“ der Apostelgeschichte (Apostelgeschichte 2,1-13). So wie er in 1. Mose 11 die Sprachen der Menschen verwirrt und sie in alle Welt zerstreut, ermöglicht er ihnen in der Pfingstgeschichte mit der Gabe des Heiligen Geistes wieder die Einheit, durch den Glauben an Jesus Christus. Doch bleiben wir heute bei der ersten Geschichte. „Warum ist Gott eigentlich ein Spielverderber?“, habe ich mich im Kindergottesdienst gefragt, als ich die Geschichte zum ersten Mal hörte. Und die Erkenntnisse der Archäologen lassen diese Frage berechtigt erscheinen. Wäre es den Menschen gelungen, den Turm fertigzustellen, hätte dieser lediglich eine Höhe von 135 Metern erreicht. Im Vergleich zu dem, was heute bautechnisch möglich ist, ist das gar nichts. Der Burj Khalifa in Dubai erreicht mit 828 Metern die sechsfache Höhe des Turmes zu Babel. Ja, bereits das höchste Bauwerk des Altertums, die Cheops -  Pyramide in Ägypten übertrifft den babylonischen Turm um 11 Meter (sie ist 146 Meter), und dennoch verhinderte Gott weder in Ägypten noch in Dubai die Fertigstellung dieser Riesenbauwerke. Warum also in Babylon (Babel)?   Ich glaube, man verfehlt den Sinn dieser Geschichte, wenn man so fragt. Der „Turm zu Babel“ ist ein „Sinnbild“ für die ungehemmte Machtentfaltung des Menschen. Der Mensch will sich an die Stelle Gottes setzen. Er erliegt der Versuchung, sein zu wollen wie Gott (1.Mose 3,5). Obwohl der Mensch viel kann, ist er doch oft nicht in der Lage, die katastrophale Folgen seines Handelns zu korrigieren. Unzählige Kriege, Klimawandel und Umweltzerstörung sind der sichtbare Beweis für diese Behauptung. Gott weist dem Menschen mit der Sprachverwirrung und der Zerstreuung über die ganze Welt seine naturgemäße Bestimmung zu, oder anders ausgedrückt: Gott schützt den Menschen vor sich selbst. Sehen wir daher diese Geschichte doch einmal als Lehrerzählung, die uns die Augen öffnen will für unser heutiges Denken und Handeln. Lernen wir doch von ihr, die Welt „sinnbildlich“ zu verstehen! Dann fällt folgendes auf: vor hundert Jahren war das „Ulmer Münster“ mit 161 Metern das höchste Haus Deutschlands. Heute ist es das „Commerzbank – Hochhaus“ in Frankfurt am Main (261 Meter). Das Geld hat Gott verdrängt.

 

31. Mai 2020: "Wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.“ (1. Korinther 12,13)

Im heutigen Lehrtext hören wir nichts von dem dramatischen Pfingstgeschehen, von dem Lukas in seiner Apostelgeschichte berichtet (Apostelgeschichte 2, 1-13). Paulus beschreibt vielmehr die Folgen der Ausgießung des Heiligen Geistes. Durch ihn sind wir zu einer neuen Gemeinschaft in der Welt zusammengeschlossen worden. Darum feiern wir heute den Geburtstag der Kirche. Paulus vergleicht die durch den Heiligen Geist zusammengefügte Christengemeinde mit einem menschlichen Körper. Dabei greift er auf eine Fabel zurück, mit der der römische  Politiker und Konsul Menenius Agrippa im Jahre 494 v.Chr. den sicheren Untergang Roms abgewendet hat.   In Rom gab es zu jener Zeit zwei gesellschaftliche Klassen: die  verhältnismäßig kleine Gruppe der „Patrizier“, deren Besitztümer aber den größten Teil des Landes ausmachten, und die „Plebejer“ (unser Wort „Pöbel“ leitet sich davon ab), die zur sozialen Unterschicht gehörten. Die damit verbundene soziale Ungerechtigkeit und zutiefst empfundene Machtlosigkeit führten dazu, dass die Plebejer 494 v.Chr. Rom verließen. Dies hätte das Ende Roms bedeutet, den die Patrizier wären nicht in der Lage gewesen, Rom zu verteidigen. Daher schickten die Patrizier besagten Menenius Agrippa zu den Plebejern, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Dies gelang dem begnadeten Rhetoriker mit Hilfe einer Fabel, die der römische Historiker Livius überliefert hat (Ab urbe condita 2,32,9). In ihr vergleicht Menenius das Verhältnis zwischen  Plebejern und Patriziern mit dem Verhältnis der Glieder eines Körpers zum Magen in der Mitte desselben. „Dieser Faulpelz“, schimpften sie, „dieser Faulpelz tut den ganzen Tag nichts anderes, als sich von uns mit den schönsten Speisen und Getränken bedienen zu lassen. Und was tut er für uns? Nichts!!! Es ginge ihm nicht so gut, wenn wir ihm unsere Dienste verweigerten.“  Gesagt, getan. Die Hände führten keine Nahrung mehr zum Mund, die Zähne hörten auf zu kauen und die Speicheldrüsen stellten ihre Produktion ein. Für einen gewissen Zeitraum genossen es die Glieder des Körpers, es dem Magen einmal so richtig gezeigt zu haben. Doch schon bald bemerkten sie, wie dumm sie doch gehandelt hatten. Weil nämlich dem Herzen die Stoffe fehlten, die der Magen bei der Verdauung freisetzt, hatte nicht mehr genügend Kraft, um das Blut an jede Stelle des Körpers zu pumpen. Nach und nach wurden deshalb alle Glieder von einer tödlichen Schwäche befallen. So korrigierten sie ihre Haltung, kehrten wieder an ihre Arbeit zurück, und der Körper wurde wieder gesund. „So verhält es sich auch zwischen Plebejern und Patriziern“, schloss Menenius seine Rede. „ Die Arbeit beider Seiten ist nötig, um den Staat zu erhalten.“ Das überzeugte die Plebejer. Sie kehrten wieder nach Rom zurück, und der Staat war gerettet. Die Moral von der Geschichte: Schuster bleib bei deinen Leisten. „ Oben“ muss „Oben“ und „Unten“ muss „Unten“ bleiben. Paulus, der, wie gesagt, diese Geschichte aufgreift, wandelt sie aber in einem Punkt entscheidend ab. In der Christengemeinde gibt es kein „Oben“ und „Unten“. Alle Gemeindeglieder sind gleichberechtigt. Zwar sind die Begabungen unterschiedlich verteilt (der eine predigt besser, der andere kann besser organisieren, usw.), aber alle sind eben durch den einen Heiligen Geist zu einer einheitlichen Gemeinschaft zusammengefügt. Somit ist also Pfingsten auch die Geburtsstunde der Basisdemokratie.

 

30. Mai  2020: "Jesus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ (Johannes 11,25-26)

Jesus gibt im heutigen Bibelwort die ultimative Antwort auf die Frage: „Wann beginnt das ewige Leben?“  Seine Antwort ist ebenso einfach wie eindeutig: „Wenn du an mich zu glauben beginnst. Du bleibst bei Gott geborgen, auch wenn du stirbst.“ Da qualmt kein Fegefeuer, da kläfft kein Höllenhund, und da muss ich auch nicht wieder zurück auf die Erde, wenn ich im göttlichen Gericht nicht für würdig erachtet wurde, bei Gott zu verweilen (auf einer primitiveren Daseinsstufe natürlich). Nein, Jesus spekuliert nicht. Wie das Leben nach dem Tod aussieht, wird nicht gesagt. Beginne ich zu glauben, so gelange ich zu einer neuen Lebenshaltung, die mir Kraft zum Leben gibt und mir die Angst vor dem Tod nimmt. Das hat aber – vor allem im Bereich des Pietismus – zu der irrigen Annahme geführt, das Leben lasse sich in zwei Teile aufspalten: in eine Zeit vor dem Glauben (oder der „ Wiedergeburt“) und eine Zeit im Glauben. Häufig können die Gläubigen sogar den Tag ihrer Wiedergeburt benennen, oft sogar mit Angabe von Stunde und Minute. Glücklich dürfen sich diejenigen nennen, die das mit solcher Gewissheit sagen können. Eine von mir sehr geschätzte Bekannte beschrieb die Zeit vor ihrer „Bekehrung“ stets in sehr düsteren Bildern. Die Erde war ein Jammertal, und sie lebte völlig „unerlöst“.  Seit sie aber Jesus gefunden habe, fühle sie sich reich beschenkt, glücklich und „erlöst“. Mir fehlt für eine solche Lebenshaltung jegliches Verständnis. „Hast Du nicht die Schule und das Studium sehr erfolgreich abgeschlossen?“, habe ich sie einmal gefragt, „und hast Du nicht einen liebevollen Ehemann und drei wundervolle Kinder? Haben sie dein Leben vor der „Bekehrung“ nicht auch schon reich gemacht?“    Außerdem widerspricht die Zweiteilung des Lebens fundamental unserem protestantischen Glaubensbekenntnis. In der ersten der 95 Thesen sagt Martin Luther entschieden: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“ usw.(Matthäus 4,17) hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.“ Der Glaube ist kein Gegenstand, den ich – einmal erworben – immer bei mir haben kann. Im Gegenteil, der Glaube steht jeden Tag aufs Neue auf dem Prüfstand. Ein Unfall, die Krebsdiagnose oder andere schreckliche Widerfahrnisse gefährden ihn ständig. Der Zweifel gehört immer zum Glauben dazu oder wie Luther es unübertroffen zu formulieren wusste: „Der alte Adam muss jeden Tag aufs Neue ersäuft werden. Aber das Schwein kann schwimmen.“

 

29. Mai 2020: "Meine Zunge soll reden von deiner Gerechtigkeit und dich täglich preisen.“ (Psalm 35,28)

"Gottes Gerechtigkeit ist nicht unsere Gerechtigkeit“, sagte einmal ein berühmter Alttestamentler (Gerhard von Rad). Er hat recht. Gottes Gerechtigkeit ist seine „Bundestreue“. Was bedeutet das?  Ein Blick auf die eindrucksvolle Geschichte von Juda und Tamar (1. Mose 38) mag diese Frage beantworten. Juda, das Oberhaupt eines der zwölf Stämme Israels hatte drei Söhne: „Er“, „Onan“ und „Schela“.  Dem ältesten Sohn „er“ gab Juda „Tamar“ zur Frau. Doch „Er“ war ein ausgesprochener „Tu nicht gut“, und so ließ ihn Gott kurzerhand sterben, bevor er seinem Vater einen Nachkommen schenken konnte. Damit fiel nun dem zweitältesten Sohn „Onan“ die Aufgabe zu, Tamar zu heiraten, um seinem Stamm die Nachkommenschaft zu sichern. Doch dieser dachte gar nicht daran, mit Tamar ein Kind zu zeugen. Deshalb ließ Gott auch ihn sterben. Im Rahmen einer so genannten „Schwager – Ehe“ hätte nun der jüngste Sohn „Schela“ die Ehe mit Tamar vollziehen müssen. Doch der war noch zu jung, so dass Tamar gezwungen war, sich Trauerkleider anzuziehen und so lange zu warten, bis „ Schela“ im heiratsfähigen Alter wäre. Als aber „Schela“ erwachsen war, weigerte sich Juda, ihm Tamar zur Frau zu geben. Er befürchtete, dass Gott auch ihn sterben ließe. Damit aber hätte der Bund Gottes mit einem der bedeutendsten Stämme Israels nicht mehr fortgesetzt werden können. David, Salomo und Marias Mann Josef wären nie geboren worden. Um den Bund Gottes mit dem Stamm „Juda“ aufrecht zu erhalten, wendet Tamar nach dem Tod von Judas Frau folgende List an: sie verkleidet sich als Prostituierte und verführt unerkannt ihre Schwiegervater. Als Bezahlung für ihre Dienste erhält sie von ihm ein Siegel, eine Schnur und einen Stab. Dann kehrt sie -  wieder in Trauerkleider gehüllt – in Judas Haus zurück. Nach bundesdeutschem Rechtsverständnis erfüllt ihr Verhalten gleich drei Straftatbestände: „unerlaubte Prostitution und die rechtswidrige Aneignung fremden Eigentums unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.“  Nicht so nach Gottes Rechtsverständnis. Als nämlich offenbar wurde, dass Tamar schwanger ist, und sie verbrannt werden soll, dokumentiert sie mit dem Siegel, der Schnur und dem Stab dessen Vaterschaft. Daraufhin bekennt Juda offenherzig: „Sie war gerechter als ich“ (1. Mose 38,26). Durch ihr Verhalten bewies sie „Bundestreue“ Gott gegenüber, so dass sein Wille erfüllt wurde und die Geschichte Gottes mit allen Stämmen Israels fortgesetzt werden konnte.

 

28. Mai 2020: "Der Kranke antwortete Jesus: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser ich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!“ (Johannes 5,7-8)

Derr heutige Lehrtext entstammt einer Episode aus dem Leben Jesu, die mich schon im Kindergottesdienst mehr bewegt hat, als irgendeine andere. Erzählt er doch von der schwersten Depression, die einen Menschen befallen kann. Da liegt ein Kranker (wahrscheinlich ein Gelähmter) schon 38 Jahre am Teich Siloah in Jerusalem, denn diesem Gewässer werden wundersame Heilkräfte nachgesagt. Von Zeit zu Zeit bewegt sich das Wasser und derjenige, dem es gelingt, dann als erster in den Teich zu steigen, wird wieder gesund. Unserem Kranken ist das nie gelungen. So liegt er hier nun 38 Jahre und ist nicht nur von seiner schweren Krankheit gezeichnet, sondern auch durch die frustrierende Erfahrung, immer der Verlierer zu sein. Ich glaube, so manch einer von uns kann das nachempfinden, auch wenn er nicht krank ist. Warum  zieht der Chef die Anderen immer vor, wenn es darum geht, einen lukrativeren Posten zu besetzen, obwohl ich doch der viel Kompetentere bin? Warum sind die Selbstdarsteller immer die Erfolgreichen und nicht die Tüchtigen?  So, oder so ähnlich, hat sicherlich schon manch einer gefragt. Jesus durchkreuzt Solche Gedanken, indem er sich auf die Seite der Verlierer stellt. In unserer Geschicht heilt er den Kranke und entbindet ihn seiner Last, aber schon In der  Weihnachtsgeschichte wird sein Engagement für die Ausgestoßenen und Entrechteten spürbar, indem es ausgerechnet die Hirten sind (die Asozialen der damaligen Zeit), denen die frohe Botschaft zuerst gebracht wird: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ (Lukas 2,11)

 

26. Mai 2020: "Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ (Römer 12,2)

"Wir Christen leben zwar noch in dieser Welt, aber nicht mehr von dieser Welt.“ So könnte man Paulus Worte aus dem Römerbrief auch wiedergeben. Christen sollen sich gegenüber dem Staat, in dem sie leben, loyal verhalten (Römer 13,1-7), die Gepflogenheiten der Mehrheitsgesellschaft akzeptieren (Römer 12) und sich nicht bewusst in eine Außenseiterrolle manövrieren. Paulus hat Grund genug, das der Gemeinde in Rom immer wieder einzuschärfen. Zwar genießt die Christengemeinde noch die Freiheit einer „erlaubten Religion“, weil sie für Außenstehende von den Juden kaum zu unterscheiden sind, doch sie machen sich zunehmend unbeliebt. Mit oft selbstgerechter Arroganz lassen sie ihre Umwelt spüren, dass diese nicht so vollkommen und vom rechten Glauben geprägt sei, wie sie. Darum hatte es Nero auch nicht besonders schwer, sechs Jahre später die Christen für den Brand von Rom (19. Juli 64 n. Chr.) büßen zu lassen (erste große Christenverfolgung).  Darum gibt Paulus den römischen Christen – wie auch uns Heutigen -  folgenden Rat mit auf den Weg. Wenn ihr doch aus der Hoffnung lebt, dass Gott euch eine gute Zukunft schenken wird, dass er - und nicht ein blindes Schicksal – das Ziel unseres Lebens ist, dann können wir doch gelassen und heiter allen Anfeindungen von außen begegnen. Dann gewinnen wir die Kraft, unseren Nächsten mit all seinen Fehler so anzunehmen, wie er ist. 

 

25. Mai 2020: Jesus spricht: "Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ (Markus 1,15)

Waren Sie schon einmal auf dem Holzweg? Natürlich, werden Sie jetzt antworten, wer war das noch nicht. Aber ich meine nicht den sprichwörtlichen, sondern den echten Holzweg. Den gibt es nämlich wirklich. Gehen wir in Gedanken einmal zurück in die Zeit, als es noch keine Planierraupen gab, die ganze Wälder einebnen,  und auch keine Feueraktivisten, die riesige Urwaldgebiete einäschern. Kehren wir also in eine Zeit zurück, in der Pferdefuhrwerke einzelne, sorgfältig ausgesuchte Baumstämme aus dem Wald abtransportierten. Zu diesem Zweck wurde eine Schneise in den Wald geschlagen, um den Abtransport zu erleichtern. Im Laufe der Zeit wuchsen diese Schneisen so weit zu, dass man sie von einem normalen Waldweg kaum unterscheiden konnte. Dass dieser Weg abrupt mitten im Wald endete, versteht sich von selbst. Geriet nun ein Wanderer versehentlich auf einen solchen „Holzweg“, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich an dessen Ende um 180 Grad zu drehen und wieder auf einen sicheren Weg zurückzukehren, um sich nicht hoffnungslos im Wald zu verirren. Dieses Bild ist hervorragend geeignet, um das zu verdeutlichen, was Jesus mit seiner oben abgedruckten Botschaft (Markus 1,15) meint. „Kehrt um“, fordert er seine Hörer auf. „Kehrt um“ von euren falschen, in die Irre gehenden Wegen. Luther übersetzt diese Worte mit „Tut Buße“, doch scheint mir das Bild von der „Umkehr“ (so wörtlich aus dem griechischen Original übersetzt)besser geeignet zu sein, um Jesu Anliegen zu verdeutlichen. In ihm als Person, gewinnt Gottes Herrschaft über die Welt sichtbare Gestalt. Darum ist das „Reich Gottes“ , besser: die „Herrschaft Gottes“, mitten unter den Menschen angebrochen (Lukas 17,21). Er gibt den Ausgestoßenen, den innerlich Vereinsamten und den an den Rand der Gesellschaft Gedrängten wieder Hoffnung, so dass der Satz Gottes am Ende der Schöpfung: „Und siehe, alles war sehr gut“ (1. Mose 1,31) wieder nachvollziehbar wird.

 

24. Mai 2020: "Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“ (Psalm 130,4) 

Der heutige Losungstext entstammt dem sechsten der sieben Bußpsalmen der Alten Kirche. Martin Luther inspirierte er zu dem bekannten Kirchenlied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir.“ (EKG 299). In welch „tiefer Not“ sich der Beter befindet, wissen wir nicht. Sicher aber geht es um die Vergebung begangenen Unrechts. Worin die Schuld besteht, die der Beter (oder sein Volk) auf sich geladen hat, erfahren wir nicht. Doch es ist davon auszugehen, dass es sich um ein Vergehen gegenüber Gott handelt, um eine „Sünde“ also. Darum wendet sich der Beter vertrauensvoll an Gott, denn niemand kann Sünden vergeben als Gott allein (Psalm 130,4; Jesaja 43,25; Markus 2,7). An dieser Stelle lohnt es sich, einmal über die „Sünde“ nachzudenken. Kaum ein anderes Wort ist so häufig missverstanden und missbraucht worden wie dieses. Es beschreibt kein sexuelles, kriminelles oder sonstiges Fehlverhalten des Menschen (das hätte Martin Luther mit „Missetat“ übersetzt), nein, es charakterisiert den Menschen selbst. Der Mensch begeht keine Sünden; der Mensch ist Sünder, weil er Mensch ist und nicht vollkommen wie Gott. Das deutsche Wort „Sünde“ leitet sich vom altgermanischen Wort „Sund“ ab. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet es eine Meerenge, wie der „Fehmarn -  Sund“ zwischen der Insel Fehmarn und Schleswig – Holstein oder der Öre – Sund zwischen Dänemark und Schweden. Denkt man sich nun das Wasser weg, erkennt man, dass es sich bei einem für den Menschen unüberwindlichen Riss in der Erdkruste handelt. Als der Begriff geprägt wurde gab es noch keine Stahlbetonbrücken wie heute. Damals galt ein „Sund“ als unüberwindbar. Auf der einen Seite dieses „Sundes“ steht Gott, auf der anderen der Mensch. Darum kommt kein Mensch aus eigener Kraft auf Gottes Seite, weshalb auch kein Mensch vollkommen ist. Weil wir durch Den „Sund“ von Gott getrennt sind, sind wir eben alle „Sünder“, und keine perfekten Maschinen. Darum dürfen wir jeden Tag aufs Neue Gott um Vergebung Bitten. Gott sei Dank.

 

23. Mai 2020: "Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch: den Segen, wenn ihr gehorcht den Geboten des HERRN, eures Gottes, die ich euch heute gebiete; den Fluch aber, wenn ihr nicht gehorchen werdet den Geboten des HERRN, eures Gottes.“ (5. Mose 11,26 – 28)

"Was ist für Euch das Typische am christlichen Leben?“, habe ich einmal meine Konfirmandinnen und Konfirmanden gefragt. Die Antwort kam wider Erwarten prompt und zügig: „Christlich zu leben heißt: es ist alles verboten, was Spaß macht, und es ist alles erlaubt, was öde und langweilig ist.“  Ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere von Ihnen dem zustimmt. Doch, das ist ein Irrtum. Wir halten gewöhnlich die Gebote Gottes für Gesetze. Gerade heute, am 71. Jahrestag der Verkündigung des Grundgesetzes legt sich dieser Verdacht nahe.   Doch die Gebote Gottes sind keine Gesetze, sondern „Weisungen für ein gelingendes Leben.“  Mit ihnen verkündet Gott: „ Ihr, Kinder Israels, habt doch erlebt, was es heißt, mir zu vertrauen. Habe ich Euch nicht aus vielen lebensbedrohlichen Krisensituationen gerettet (Versklavung in Ägypten, Bedrohung durch feindliche Völker, und dergleichen mehr)? Konntet Ihr Euch nicht immer auf mich verlassen? Meine Weisungen schenken Euch die Freiheit und bewahren Euch vor dem Absturz! Warum also folgt Ihr falschen Göttern, warum macht Ihr Euch abhängig von leeren Versprechungen und kruden Weltanschauungen? Wenn Ihr meinen Weisungen folgt, dann schützt ihr die Gemeinschaft, in der der Mitmensch zum Nächsten wird und nicht zum Konkurrenten um einen Arbeitsplatz oder die Gunst einer schönen Frau. Dann findet Ihr „Heimat“ in dieser Gemeinschaft, dann findet Ihr „Halt“ und „Geborgenheit“ in ihr. Dann tut Ihr aus Eurem Inneren heraus nicht mehr das, was diese Gemeinschaft gefährdet: morden, stehlen, die Ehe brechen, die kranken Eltern vernachlässigen, und so weiter. So holt Ihr dann eben ein Stück Himmel auf diese zerrissene Erde.“

 

22. Mai 2020: "Als der Sohn noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (Lukas 15,20)

Was war die beste Predigt, die je gehalten wurde. Meines Erachtens das „Gleichnis vom verlorenen Sohn“ (Lukas 15, 11-32), dessen - im Losungswort angesprochene Szene - Rembrandt eindrucksvoll in einem seiner berühmtesten Gemälde festgehalten hat. Dieses Gleichnis kommt ohne moralischen Zeigefinger aus, sondern beschreibt vielmehr nüchtern und sachlich das Menschliche, ja allzu Menschliche. Dem jüngeren von zwei Söhnen fällt zu Hause die Decke auf den Kopf. Er will endlich raus aus dem Alltagstrott und das Leben genießen. Das dazu nötige Geld fordert er von seinem Vater ein. Der zahlt ihm sein Erbe aus, und der Sohn macht sich auf, sein Leben so zu leben, wie er es sich immer gewünscht hat. Wer von uns kann das nicht nachempfinden, hatte nicht auch einmal den Wunsch, auszubrechen, aus der Welt der Pflichten und Zwänge. Doch leider ist das Geld schneller ausgegeben, als es zuvor verdient wurde. So auch in unserem Fall. Als das Geld verbraucht ist, ist der jüngere Sohn ganz unten angekommen. Am Ende muss er für einen Heiden sogar die Schweine hüten, für den frommen Juden (denen erzählt Jesus dieses Gleichnis) eine grausame Vorstellung. Bei ungläubigen Menschen und unreinen Tieren muss er ehr- und würdelos vegetieren. Unten angekommen tut er das, was Jesus in seinen Predigten immer wieder fordert. Er kehrt zurück zu seinem Vater. Und wie verhält sich dieser? Er bestraft ihn nicht, sondern er nimmt ihn - aus lauter Liebe – wieder bei sich auf, setzt ihn erneut in sein Erbe ein und gibt ihm eine zweite Chance. Dabei verhält er sich nicht ungerecht gegenüber seinem älteren Sohn, wie häufig behauptet wird. Im Gegenteil. Der Ältere zog ja freiwillig die Sicherheit auf dem elterlichen Hof der ungewissen Zukunft in der Fremde vor. Genau so handelt Gott uns gegenüber. Auch Wir dürfen aus der christlichen Gemeinschaft ausbrechen und uns weltanschaulich, ethisch oder religiös neu orientieren. Aber wir dürfen auch jederzeit wieder zrückkehren.

 

21. Mai 2020: "Als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.“ (Apostelgeschichte 1,9)

Fragte man einen Bibelunkundigen, was er unter „Himmelfahrt“ verstehe, antwortete er wahrscheinlich: Luft- und Raumfahrt, vielleicht auch die Fahrt mit einen Heißluftballon. Die Vorstellung hingegen, dass ein Mensch in den Himmel auffährt und von einer Wolke verhüllt wird, wäre ihm völlig fremd. Ich Kann mir denken, dass es dem ein- oder anderen Christen ähnlich geht. Aber unabhängig davon, was nun wirklich in Jerusalem vor fast 2000 Jahren geschehen ist, verfehlt der Blick auf die körperliche Himmelfahrt das, worum es im heutigen Losungswort geht. Künftig begegnen die Jünger und alle, die Jesus nachfolgen, ihm nicht mehr „leibhaftig“, sondern im Glauben, im Gebet und in der tätigen Nachfolge. Und die geschieht nach Auffassung nicht im stillen Kämmerlein, sondern in der Gemeinschaft der Gläubigen, also in der Gemeinde. Der Glaube gewinnt im Tun der Gemeinde Gestalt. Auf diese Weise holen wir den Himmel auf die Erde. Eine alte rabbinische Legende beschreibt das unübertrefflich:  „ Ein Rabbi bittet Gott darum, einmal den Himmel und die Hölle sehen zu dürfen. Gott ist damit einverstanden und gibt dem Rabbi zur Sicherheit den Propheten Elia als Führer mit. Elia führt den Rabbi zunächst in einen großen Raum, in dessen Mitte ein Feuer brennt. Auf dem Feuer steht ein Topf mit einem köstlichen Essen drin. Rings um diesen Topf sitzen Menschen, alle mit langen Löffeln in der Hand. Aber obwohl das Essen herrlich duftet und mit Sicherheit schmackhaft und kalorienreich ist, sehen die Leute mager, krank und elend aus. Ihre Löffel sind nämlich so lang, dass sie das wunderbare Essen nicht in den Mund bekommen. Als die beiden Besucher wieder draußen sind, fragt der Rabbi den Propheten, was das für ein seltsamer Ort gewesen sei.  Es war die Hölle. - Gleich darauf führt Elia den Rabbi in einen zweiten Raum, der – äußerlich betrachtet – genauso aussieht wie der erste. Auch hier steht ein Topf auf einem Feuer mit einem wunderbaren Essen drin. Und auch hier sitzen Menschen rings um den Topf herum, alle mit langen Löffeln in der Hand. Aber diese Leute sind alle wohlgenährt, sehen gesund und glücklich aus. Warum? Sie versuchen erst gar nicht, sich mit den langen Löffeln selbst zu füttern, sondern sie benutzen diese, um sich gegenseitig zu essen zu geben. Dieser Raum war der Himmel.“

 

20. Mai 2020: "Der Gerechte erkennt die Sache der Armen.“ (Sprüche 29,7)

"Geld verdirbt den Charakter.“ Sie kennen sicherlich alle diesen Satz. Neben der Eifersucht ist die Habgier das Hauptmordmotiv. Und wenn wir Christen dann noch die Begegnung Jesu mit dem reichen Jüngling vor Augen haben (Matthäus 19,16-26), dann scheint festzustehen: Reiche kommen nicht in den Himmel. Deshalb geloben Mönche beim Eintritt ins Kloster neben Gehorsam und Ehelosigkeit eben auch den Verzicht auf materiellen Besitz. Aus diesem Grund verpflichten sich viele Kirchengemeinden, sich der Sache der Armen anzunehmen (Sprüche 29,7), weshalb ja auch die Diakonie, die Hinwendung zu den Mittellosen und Kranken, ein Hauptarbeitsgebiet kirchlicher Arbeit ist. Aber, so muss gefragt werden, ist der Reichtum deshalb mit dem christlichen Glauben unvereinbar? Antwort: Mit Sicherheit nicht. Die griechischen Gemeinden des Paulus beispielsweise waren reich. Ohne ihre großzügigen Spenden für die Urgemeinde in Jerusalem hätte diese nicht bestehen können. Auch Theophilus, dem das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte gewidmet sind, war ein reicher Mann. Um eine Verteufelung des materiellen Besitzes kann es also nicht gehen. Im Gegenteil, die christliche Gemeinde kann nur caritativ handeln, wenn sie über genügend Geldmittel verfügt. Jesu Forderung  an den reichen Jüngling, alles zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben und ihm dann zu folgen, zielt vielmehr darauf ab, zu überlegen, was im Leben wirklich wichtig ist. Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott. Und diese Botschaft gilt auch noch heute. Machen Autos, Fernseher, zwei Urlaubsreisen im Jahr und ein großes Anwesen uns wirklich glücklicher? Sind es nicht vielmehr die Dinge, die nichts kosten und gerade deshalb unbezahlbar sind, das, was unser Leben reich macht: die Dankbarkeit der Menschen, die wir lieben, fröhliche Kinder und das Gefühl ein erfülltes Leben zu führen. Darum wünsche ich Ihnen und mir, dass wir am Ende unserer Tage nicht so reden, wie ein begüterter Hundertjähriger auf dem Sterbebett, der mich fragte: „Herr Pfarrer, das war doch wohl nicht schon alles?“

 

19. Mai 2020: "Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.“ (Lukas 19,8)

Wer steht Ihnen vor Augen, wenn Sie den Namen „Zachäus“ hören? Ich denke dann spontan an „Monk“. Dieser Ex-Polizist und Titelheld der gleichnamigen Fernsehserie ist wie Zachäus der Inbegriff eines Außenseiters. In der Schule wurde er ständig gehänselt, und in der Gegenwart gilt er als verschrobener Einzelgänger und wird von den meisten einfach übersehen. Doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen Monk und Zachäus. Während sich Monk als genialer Detektiv auszeichnet, der schier unlösbare Fälle aufklärt, ist Zachäus ein skrupelloser Betrüger und für den frommen Juden seiner Zeit der „Sünder“ schlechthin. Zum einen treibt er für die verhasste römische Besatzungsmacht die Steuern ein. Das allein erfüllt schon den Tatbestand des „Vaterlandverrats“. Darüber hinaus aber betrügt er sein Volk und den Kaiser in Rom, indem er mehr Steuern eintreibt, als von Rom gefordert. Das überschüssige Geld steckt er in die eigene Tasche. Durch diesen Betrug erwirbt er sich zwar einen stattlichen Reichtum, isoliert sich aber gleichzeitig innerhalb der Gesellschaft. So ist er zwar reich, aber auch innerlich leer und einsam. Doch dann begegnet er Jesus. Besser gesagt: Jesus begegnet ihm. Das verändert sein Leben von Grund auf. Als Kleinwüchsiger klettert er auf einen hohen Baum, um Jesus sehen zu können. Inmitten einer unüberschaubaren Menge fällt Jesu Blick auf Zachäus. Im Gegensatz zu den Anderen übersieht Jesus Zachäus nicht. Gerade ihn, den Außenseiter, sucht er. In sein Haus kehrt er ein und verwandelt damit Zachäus restlos. Dieser vollzieht eine 180 Grad Wendung, denn er fühlt sich nun nicht nur von den Menschen, sondern von Gott angenommen. Er verzichtet auf seinen Reichtum (Lukas 19,8), gewinnt dafür aber die Liebe und Anerkennung seiner Mitmenschen. Zugleich wird ein zentrales Anliegen Jesu deutlich: Er stellt sich auf die Seite der „ Außenseiter“. Denn wie hat er selbst gesagt: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Ich bin gekommen die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten.“ (Lukas 5,31-32)

 

18. Mai 2020: Jesus spricht: „Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Johannes 14,26)

Was bleibt von einem Menschen auf der Erde zurück, wenn er gestorben ist?  Bedeutende Bauwerke vielleicht, große Kompositionen oder herausragende Werke der  Literatur,  Philosophie, Naturwissenschaft und Technik. Sie legen Zeugnis ab von der Genialität berühmter Vorfahren.  Aber was ist mit uns Ottonormalverbrauchern? Natürlich leben wir genetisch in unseren Nachkommen fort. Aber spätestens nach fünf oder sechs Generationen wird es auch mit modernsten DNA-Analyseverfahren kaum noch möglich sein, unseren Anteil am Fortbestand der Menschheit festzustellen. Sicherlich leben wir auch in der Erinnerung unserer engsten Familienangehörigen und Freunde fort, zumindest für einen gewissen Zeitraum. Aber irgendwann verblasst auch die Erinnerung. Das befürchten auch die Jünger Jesu, als der ihnen seinen nahen Tod ankündigt. Daher verwundert es nicht, dass Maria Magdalena ihn festhalten will, als sie später, am Ostermorgen, dem Auferstandenen begegnet. Mit den Worten - „Rühre mich nicht an!“ (Johannes 20,17) - weist Jesus diesen Versuch zurück. Diese Worte bedeuten nicht die Abwehr einer körperlichen Berührung. Das beweist die Tatsache, das Jesus kurze Zeit später den „ungläubigen Thomas“ ausdrücklich auffordert, die Hände in seine Wundmale  zu legen, damit dieser seinen Unglauben überwindet (Johannes 20,27).    Nein. Die Worte „ Rühre mich nicht an“ meinen: Halte dich nicht fest an dem, was du mit mir auf der Erde erlebt hast. Künftig wirst du mir im Gebet begegnen. Der Glaube an mich wird dir in Zukunft Kraft und Hoffnung für dein Leben schenken.   Da der Mensch von Natur aus kleingläubig ist, Verheißt er Maria, seinen Jüngern (Johannes 14,26), ja, einem jeden von uns, den Heiligen Geist als himmlischen Kraftstoff, der uns befähigt, an Jesus zu glauben. Mögen wir diesen Geist in uns wirken lassen.

 

17. Mai 2020: "Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit.“ (Kolosser 2,6-7)

Im heutigen Lehrtext setzt sich der Schreiber des Kolosserbriefes mit „Irrlehrern“ auseinander, die das von Paulus verkündete Evangelium auszuhöhlen versuchen. Paulus hatte verkündet, dass der Mensch, der an Jesus Christus glaubt, gegenüber der Welt frei ist. Nun behaupten die „Irrlehrer“, das dem nicht so sei. Es gelte, bestimmte Regeln einzuhalten, um ein wirklich gottgefälliges Leben zu führen. So darf man beispielsweise nicht alles essen, was auf den Tisch kommt. Wahrscheinlich von alttestamentlichen Speisevorschriften beeinflusst, fordern sie, das bestimmte Speisen absolut tabu sind. Blutwurst - zum Beispiel - darf nicht gegessen werden, weil das Blut Träger des Lebens ist. Mit philosophischen Spekulationen verfremden sie das Evangelium. So wird keineswegs der sündige Mensch gerecht gesprochen, wenn er nur an Christus glaubt. Im Gegenteil. Hat er kein völlig tadelloses Leben geführt, wird er – nach seinem Tod – im Gericht schuldig gesprochen und muss zur Strafe noch einmal zurück auf die Erde. Allerdings auf einer niedrigeren Daseinsstufe. Der Eingang in die ersehnte Herrlichkeit Gottes verzögert sich dadurch erheblich.  Dem allen tritt der Schreiber des Kolosserbriefes entschieden entgegen. „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ (Habakuk 2,4; Römer 1,17), nicht aufgrund der Einhaltung bestimmter Vorschriften. Das heißt, der Mensch muss nicht perfekt sein. Er darf sündigen und Gott immer wieder um Vergebung bitten. Martin Luther hat das auf den Punkt gebracht: „Wenn du sündigst, sündige tapfer; aber bete umso fester.

 

16. Mai 2020: "Der Himmel wird wie ein Rauch vergehen und die Erde wie ein Kleid zerfallen, und die darauf wohnen, werden wie Mücken dahinsterben. Aber mein Heil bleibt ewiglich.“ (Jesaja 51,6)

Meine Großmutter sagte immer: „Nichts bleibt ewig“, wenn sie auf ihr Leben zurückschaute. Vieles von dem, was früher wie selbstverständlich zum Alltag gehörte, ist heute nahezu vollständig aus unserer Gegenwart verschwunden. So wird es eines Tages auch Himmel und Erde ergehen, verkündet der Prophet Jesaja. Alles Große und ach so Wichtige verzwergt dann zum Nichts. Das Einzige, was ewig bleibt, ist Gott und natürlich alle seine heilbringenden Verheißungen. Aber, was heißt „ewig“? Dieses Wort hat über die Jahrhunderte hinweg viele Diskussionen ausgelöst. Wenn Gott doch ewig existiert, warum hat er die Welt dann  zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffen und nicht zu einem anderen. „Nicht in, sondern mit der Zeit schuf Gott die Welt“ antwortete der Kirchenvater Augustinus darauf ( -Bekenntnisse, 11. Buch- ), eine Aussage, die inzwischen durch die Urknalltheorie bestätigt wurde. „Und was machte er, bevor er die Welt schuf“, lautete dann meist die zweite Frage. „Nun“, antwortete Augustinus schelmisch, „Gott saß im Wald und schnitzte Ruten für Leute, die dumme Fragen stellen.“ Viel entscheidender als solche unfruchtbaren Fragen ist das, was Martin Luther im Blick auf unseren Schöpfungsglauben sagte: „Ich glaube, dass Gott mich geschaffen hat samt allen Kreaturen“ (Kleiner Katechismus, 1. Artikel). Ich bin von Gott geliebt und gewollt, so wie jedes seiner Geschöpfe. Das ist das Entscheidende. Ich bin kein Zufallsprodukt, keine „Laune der Natur“ – wie es in einem Kirchenlied heißt -, sondern Von Gott gewollt und geliebt und das auch über den Tod hinaus in alle Ewigkeit.

 

15. Mai 2020: „Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er bei ihnen lange warten?“ (Lukas 18,7)

Der heutige Lehrtext stammt aus einem Gleichnis Jesu. Es erzählt von einem Richter, „der sich nicht vor Gott fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute.“ (Lukas 18,2). Da kommt eine Frau zu ihm, die ihm fortwährend mit der Bitte um Hilfe gegen ihren „Widersacher“ ( Lukas 18,3) in den Ohren liegt. Der Richter aber will der Frau lange Zeit nicht helfen. Sie nervt ihn einfach, wie wir heute sagen würden. Um sie los zu werden, entschließt er sich dann aber doch zum Beistand, „damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“ (Lukas 18,5).  Der Gott- und Menschen verachtende Richter handelt aus eigensüchtiger Bequemlichkeit. Ganz anders sieht es bei Gott aus. Er ist geduldig, und weil er uns liebt, nimmt er jedes unserer Anliegen ernst. Wenn auch wir ihn ernst nehmen, dürfen wir ihm täglich mit  unseren Gebeten in den Ohren liegen, denn wer betet, vertraut Gott. Martin Luther hat das so ausgedrückt: „Ich habe viele Probleme und viel zu tun, darum muss ich viel beten.“

 

14. Mai 2020: "Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet, wie man einen Menschen täuscht?“ (Hiob 13,9)

Das Buch Hiob gehört zweifellos zu den großen Werken der Weltliteratur. Es geht hier um die Frage: „Warum muss der Gerechte leiden?“ Hiob war ein rechtschaffener und frommer Mann. Er hatte viele Kinder, einen großen Besitz und erfreute sich bester Gesundheit. Doch dann fallen Banditen ein, töten seine Familie und Knechte, verwüsten seinen Besitz und zu allem Überfluss erkrankt er auch noch schwer. Warum lässt Gott das zu?.  Was Hiob nicht wissen kann, Gott hat mit dem Satan eine Wette abgeschlossen. Gott hatte Hiob als Musterbeispiel eines gottesfürchtigen Menschen gepriesen. Deshalb hatte er ihn reich gesegnet.  Daraufhin schloss der Satan mit ihm folgende Wette ab. „Hiob“, so folgerte er, „ ist nur deshalb fromm, weil es ihm gut geht. Aber was geschieht, wenn ihm alles, was ihm gehört und sein Leben reich macht, genommen wird. Was gilt´s, er wird dir ins Angesicht absagen.“ (Hiob 1und 2). Gott geht auf diese Wette ein und Hiob verliert alles, sogar seine Gesundheit. Und es kommt noch schlimmer.  Seine sogenannten „ guten Freunde“ beschuldigen ihn, an Gott gesündigt zu haben, denn Unglück und Krankheit sind immer die Strafe Gottes für ein begangenes Unrecht. Doch Hiob ist sich keiner Schuld bewusst und bezichtigt seine Freunde der Lüge (heutiges Losungswort). Am Ende stellt Gott selbst die falsche Auffassung von Schuld und Strafe in Frage und segnet Hiob. Dieser gesundet wieder, erhält seinen Besitz zurück und Gott schenkt ihm wieder eine große Familie. Die Frage aber: „Warum geht es dem Gottesfürchtigen schlecht, obwohl er doch nichts Unrechtes getan hat?“, bewegt viele Gläubige bis heute. Eine Anmerkung zum Schluss. Johann Wolfgang von Goethe hat die Wette zwischen Gott und dem Teufel zum Ausgangspunkt seines Faust-Dramas gemacht.

 

13. Mai 2020: "Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.“ (1. Könige 8,39)

„Du bist mein ganzes Herz“ heißt es in der berühmten Operette „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehar. Wenn wir das Wort „Herz“ hören, denken wir unwillkürlich an Liebe, tief empfundene Gefühle und verklärte Romantik, kurz, um das gesamte Spektrum der Gefühlswelt.   Damit aber hat das „Herz“ im Alten Testament nicht das Geringste zu tun. Dort sind die Nieren das Zentrum des Gefühlslebens. „Das geht mir an die Nieren“, sagen wir noch heute. Das „Herz“ dagegen ist der Sitz des Verstandes und auch des Bewusstseins. Wenn Salomo – aus Anlass der Einweihung des Tempels in Jerusalem – das Verhältnis Gottes zu Israel (und das Verhältnis Israels zu Gott) über das „Herz“ definiert, sagt er damit: Dieses Verhältnis gründet ausschließlich in dem, was mit dem Verstand erfasst werden kann. Israel „erkennt“ Gott an seinen Taten. Weil es Gottes Wohltaten erlebt hat, vertraut es Gott, glaubt es an ihn. Gott führte das Volk aus Ägypten, bewahrte es in der Wüste, schenkte ihm das gelobte Land und ließ es zu einem großen Volk werden. Nun – zur Zeit Salomos – ist Israel sogar eines der mächtigsten Völker des Alten Orients. Gott ist nicht das Ergebnis einer Spekulation, sondern eine Macht, die erlebt und Verstanden werden kann. Auch heute noch.

 

12. Mai 2020: "Der Herr sprach zu Salomo: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Du wollest deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist.“ (1. Könige 3, 5.9)

Was würden Sie sich wünschen, wenn ein guter Geist auftauchte und Ihnen das Versprechen gäbe, Ihnen alles zu erfüllen, was Sie sich wünschten? Vermutlich wünschten Sie sich Gesundheit, ein langes Leben, immer genügend Geld auf der Bank oder unter dem Kopfkissen und wohlgeratene Kinder. Das ist absolut menschlich. Als Salomo König von Israel wurde, machte Gott ihm dasselbe Angebot. Aber Salomo wünscht sich keinen Reichtum, kein langes Leben oder uneingeschränkte Macht. Er bittet um Weisheit. Er will in der Lage sein, das Volk umsichtig, gerecht und mit Augenmaß zu regieren. „Weisheit“ meint die Fähigkeit, in jeder Lebenslage das Angemessene tun zu können. Alle anderen Wünsche erfüllen sich dann wie von selbst. Das sich anschließende „salomonische Urteil“ (1. Könige 3, 16-28) ist ein eindrucksvolles Zeugnis seiner weisen Entscheidungen. Würden heute weise Einsichten, die oft mit Einschränkungen des Lebensstandards verbunden sind und nicht vollmundige Versprechungen, welche häufig nicht zu erfüllen sind, politisches Handeln bestimmen die Welt sähe besser aus. Darum: Mut zur Weisheit.

 

11. Mai 2020: "Gott, wir haben mit unseren Ohren gehört, unsre Väter haben´s uns erzählt, was du getan hast zu ihren Zeiten, vor alters.“ (Psalm 44,2)

Israel befindet sich in höchster Not. Das Land ist wieder einmal zerstört, das Volk deportiert und dem Hohn und Spott der anderen Länder ausgesetzt. Wo ist in dieser Lage ihr Gott. Wo ist der Gott, der sie mit „mächtigem Arm und ausgestreckter Hand“ aus Ägypten geführt hat, der sie das Westjordanland siegreich hat erobern lassen, und der ihnen aus oft ausweglosen Situationen immer wieder geholfen hat. Gut, früher haben sie ihren Gott immer wieder verlassen, sind fremden Göttern gefolgt und dafür bestraft worden. Aber diesmal sind sie unschuldig und doch von Gott verlassen worden.     Nicht nur im Altertum, sondern auch nach der Schoah im 20. Jahrhundert haben nicht wenige Juden gefragt: „Wo ist der Gott, der mit mächtigem Arm und ausgestreckter Hand unseren Vorfahren beigestanden hat?“ Auch unter uns Christen erklingt diese Frage immer wieder. Warum hat mich Gott nicht vor dem Krebs bewahrt, warum nicht meinem Mann und mir eine längere gemeinsame Zeit geschenkt? Eine befriedigende Antwort wird sich darauf nicht finden lassen.   Aber viele von uns haben auch das Gegenteil erlebt und Gottes Hilfe in auswegloser Situation erfahren. Eines aber dürfen wir wissen: „Gott bewahrt uns nicht vor dem Leid, aber er steht uns im Leid bei.“ (Karl Barth)

 

10. Mai 2020: "Tu, was dir vor die Hand kommt; denn Gott ist mit dir.“ (1. Samuel 10,7)

"Der Herr ist König und herrlich geschmückt; …und umgürtet mit Macht“, heißt es im 93. Psalm (Psalm 93,1). Da Gott zugleich auch König über Israel ist, darf sich das Volk keinen eigenen König wählen. Das unterscheidet Israel von allen anderen Völkern. Lediglich Richter, die im Namen Gottes handeln, wie Gideon, Jeftah oder Simson (Buch der Richter), sind ihm erlaubt. Doch Israel will einen König, weil die anderen Völker auch einen haben; es will nicht länger die Außenseiterrolle spielen. So willigt Gott schließlich ein und beauftragt den Propheten Samuel, Saul zum König zu salben. Die Erfahrungen, die Israel allerdings mit seinen Königen macht, sind sehr unterschiedlich. Die Könige, die Gottes Weisungen ernst nehmen, handeln weise und umsichtig, und dem Volk geht es gut. Diejenigen aber, die sie in den Wind schlagen, führen das Volk jedes Mal in eine existenzbedrohende Krise.    So ist es heute auch noch. Zwar hat Helmut Schmidt einmal bekannt: „Mit der Bergpredigt kann man im Rathaus nicht regieren“, doch ist es wohl unumstritten, dass die Regierungschefs, die Gottes Weisungen, ihr Gewissen oder wenigstens eine berechenbare Rechtsgrundlage zum Maßstab ihres Handelns machen, mehr zum Wohl ihrer Völker und der Welt beigetragen haben, als die, denen es nur um Machterhalt oder die Durchsetzung eigener Interessen ging.

 

9. Mai 2020: "Der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet in allen Werken deiner Hände.“ (5. Mose 2,7 )

Im 5. Buch Mose blickt Moses zurück auf die vierzigjährige Wüstenwanderung des Volkes Israel nach der Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei. Es erstaunt, dass das Verhalten Israels recht positiv beschrieben wird, bedenkt man doch, dass sich Israel keineswegs immer positiv verhalten hat. Erinnert sei an seine ständige Nörgelei angesichts der Beschwernisse während der Wanderung: „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.“ (2. Mose 16,3)  Auch die Ungeduld, die das Volk zeigte, als sich Moses Rückkehr vom Berg Sinai verzögerte. Da lästerte es Gott, indem es sich ein goldenes Kalb machte und es anbetete. Die Zahl der Beispiele ließe sich beliebig erweitern. Nein, wirklich vorbildlich ist Israel Gottes Weisungen nicht gefolgt.   Am Ende aber sind sie ihm dann doch gefolgt, weil Gott sie - trotz aller Verfehlungen-  nicht verlassen hat. Auch wir Christen dürfen wissen, dass Gott uns nicht aufgibt, auch wenn wir schwachen Menschen immer wieder am Glauben zweifeln. Denn wie sagte schon Martin Luther: „Wer nie gezweifelt hat, hat auch nie geglaubt.“

 

8. Mai 2020: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott. Wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.“ (Römer 13,1)

Das heutige Besinnungswort gehört zu den umstrittensten der gesamten Bibel. Etliche „christliche“ Diktatoren haben es missbraucht, um Gewalt und Unterdrückung zu rechtfertigen. Heute vor 75 Jahren ging der zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Angesichts der ungeheuren Gräueltaten der voran gegangenen Jahre begann man sich kritisch mit dieser Anweisung des Paulus auseinanderzusetzen. Für die Reformatoren besaß sie noch absolute Gültigkeit. Der Staat hat die Aufgabe, die göttliche Schöpfungsordnung vor dem Rückfall ins Chaos zu bewahren. Der Schwache soll vor Übergriffen des Starken geschützt werden. Dazu bedarf es der Polizei, um den Frieden im Land zu bewahren. Zur Abwehr äußerer Gefahren braucht man ein schlagkräftiges Militär. Natürlich entsprechen für Paulus, Augustinus und Luther die Regierenden dem antiken Herrschaftsideal. Demzufolge muss ein Herrscher weise, gerecht und umsichtig regieren. Die Christen werden von Paulus – und später auch von Luther – angewiesen, sich der Ordnung und den Normen der Mehrheitsgesellschaft anzupassen und sich nicht ständig – als Stachel im Fleisch, wie in Rom geschehen – der Feindschaft der Umwelt auszusetzen. Erst wenn die Herrschenden ihre Macht missbrauchen und Verbrechen im Namen des Volkes begehen wird Widerstand zur Pflicht. Darum haben Bonhoeffer, Staufenberg und andere sich erst spät gegen die Gewaltherrschaft Hitlers gestellt und am Widerstand beteiligt.    Heute sind wir als Christen aufgerufen, zwar Loyalität gegenüber dem Staat zu üben, aber eben auch wachsam zu sein, wenn sich gesellschaftliche Veränderungen andeuten.

 

7. Mai 2020: "Du bist ein Gott der Vergebung, gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte.“ (Nehemia 9, 17)

Würde Gott uns allein nach unseren Verdiensten und Verfehlungen beurteilen, er hätte sich längst von uns abgewandt. Es gibt nämlich niemanden, der alle seine Gebote hält oder nach seinem Willen handelt. Wäre die irdische Gerechtigkeit Maßstab seines Handelns, wir alle wir alle würden im göttlichen Gericht schuldig gesprochen. Doch glücklicherweise ist er barmherzig, langmütig, geduldig und reich an Güte. Diese Eigenschaften, die ihm im heutigen Losungstext zugesprochen werden, unterstreicht eindrucksvoll das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der jüngere Sohn, der sein Erbe sinnlos verprasst hat, wird nach seiner Rückkehr nicht zur Begleichung seiner Schulden zum Knecht degradiert, sondern vom Vater liebevoll in die Arme genommen und wieder in sein Erbe eingesetzt. Er erhält eine zweite Chance. Trotz all unserer Verfehlungen weicht Gott nicht von uns, sondern er gibt uns die Gelegenheit zum Neuanfang, weil er uns liebt.

 

6. Mai 2020: "Ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene.“ (Jesaja 42,16)

Der Prophet Jesaja kündigt im Namen Gottes eine Revolution an. Israel lebt nun schon seit fast einer Generation als unbedeutende Volksgruppe Im gewaltigen babylonischen Weltreich. Alles um sie herum ist groß und prächtig. Die Israeliten aber fühlen sich wie die Verlierer der Geschichte. Ihr Land ist zerstört Und von ihrem Gott und seiner Hilfe ist nichts zu spüren. Wahrscheinlich wird schon die nächste Generation nichts mehr von ihm und seinen Wohltaten wissen. Bald werden sich die Angehörigen des Volkes mit den Babyloniern vermischt haben und Israel damit Geschichte sein. In dieser ausweglosen Situation verheißt der Prophet die revolutionäre Wende: Gott wird mit Hilfe des persischen Großkönigs das babylonische Großreich zerstören und Israel wieder in sein Land zurückführen. Kyros, der persische König, weiß noch gar nichts von seinem Glück, und gegen den Augenschein mag Israel das nicht glauben. Und doch kommt es so, wie Gott es vorhergesagt hat. Schon wenige Jahre später ist Israel wieder im eigenen Land und der Tempel wieder aufgebaut.    So dürfen auch wir – angesichts der großen Krisen unserer Zeit wissen, dass Gott uns nicht verlässt. Wenn die Not am größten ist, ist Gott am nächsten.

 

5. Mai 2020: "Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel Und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare.“ (Kolosser 1,15-16)

Der Verfasser des Kolosserbriefes spricht Jesus Christus eine Macht zu, die weit über das hinausgeht, was  Paulus und die Evangelien über ihn zu berichten wussten. Christus ist nicht nur der Erlöser, der uns von unserer Schuld befreit, wenn wir ihm vertrauen, sondern das Instrument, durch das Gott die Welt geschaffen hat. In Anlehnung an Sprüche 8, 22-31, wo ähnliches von der Weisheit ausgesagt wird, gilt Christus für alle Zeiten als der Mittler zwischen Gott und den Menschen und Herr der Welt.     Nicht ein von Menschen verursachter Weltuntergang, noch ein degenerierter Virus, noch irgend eine andere Katastrophe bestimmen unsere Zukunft, sondern allein Gott durch Christus. Er hat uns zugesagt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28, 20)

 

4. Mai 2020: "Die er aus den Ländern zusammengebracht hat von Osten und Westen, von Norden und Süden: Die sollen dem HERRN danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut.“ (Psalm 107,3.8)

Was begründet den Glauben an Gott? Für einen gläubigen Juden zur Zeit des Alten Testaments liegt die Antwort klar auf der Hand. Wenn es den Angehörigen des Volkes Israel schlecht ging, schrien sie zu Gott und er half ihnen. Nicht irgendwelche beeindruckenden Götterstatuen wie in Ägypten, Babylon oder Griechenland und auch keine noch so ausgefeilten philosophischen Spekulationen, sondern die persönliche Erfahrung war den Israeliten Grundlage ihres Glaubens. Er hat sie aus der Sklaverei befreit, ihnen das Land geschenkt, das er ihnen versprochen hat und jedem Einzelnen, der in Not war, seine Hilfe nicht versagt. So dürfen auch wir uns an ihn wenden in den Krisen unseres Lebens.

 

3. Mai 2020: "Abner rief Joab zu: Soll denn das Schwert ohne Ende fressen? Weißt du nicht, dass daraus am Ende nur Jammer kommen wird?“ (2. Samuel 2,26)

In der vor uns liegenden Woche jährt sich das Ende des 2. Weltkrieges in Europa zum 75. Mal. So manch einer wird unser heutiges Losungswort gegen Ende des Krieges so, oder so ähnlich ausgesprochen haben; denn das verbindet die Situation des Bruderkrieges zwischen Israel und Juda (etwa 1000 vor Chr.) mit der Situation vor 75 Jahren: am Ende bleiben nur Zerstörung, Verzweiflung, Scham und Angst vor einer ungewissen Zukunft. König David hat kurze Zeit nach Abners Hilfeschrei den Bruderkrieg beendet und Israel zum Großreich ausgebaut. Auch wir blieben 75 Jahre von Krieg verschont und durften einen Wohlstand ohne Beispiel erleben. Aber, haben wir wirklich seit 75 Jahren Frieden? Immer noch bestimmen Missverständnisse zwischen den Generationen das Bild, besitzen die einen viel mehr als sie zum Leben nötig haben, während die anderen nicht wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen sollen, obwohl sie fleißig arbeiten. Und immer noch erschweren Vorurteile das ungestörte Zusammenleben zwischen den Völkern. Dies wäre aber nötig, um im biblischen Sinne von Frieden (biblisch: Schalom) sprechen zu können. Einen solchen Frieden zu schaffen, ist uns Christen als Aufgabe gestellt. Paulus hat es im heutigen Lehrtext wie folgt zusammengefasst: „ Zum Frieden hat euch Gott berufen.“ (1. Korinther 7,15)

 

2. Mai 2020: "Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.“ (Psalm 51,13)

Der 51. Psalm gehört zweifellos zu den bedeutendsten des Alten Testaments. Nimmt er doch vieles von dem vorweg, was Paulus in seinen Briefen und Martin Luther in seinen Schriften erörtert hat. Der Mensch ist durch einen Sund (d.h. einen sehr tiefen, unüberwindlichen Graben) von Gott getrennt. Darum, so bekennt der Beter, ist er nicht in der Lage, Gottes Willen zu erfüllen. Immer wieder wird er schuldig gegenüber Gott und damit auch gegenüber seinen Mitmenschen. „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“  So formuliert es Paulus im Römerbrief (7,19). Deshalb bittet der Beter Gott darum, von ihm auf die göttliche Seite gezogen zu werden. Denn er weiß, dass er dazu aus eigener Kraft nicht fähig ist. Gottes heiliger Geist allein ist dazu in der Lage. Gott handelt. Wir empfangen: allein durch den Glauben.

 

1. Mai 2020: "Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ (1. Mose 2,15)

Am heutigen Arbeiterfeiertag lohnt sich ein Blick auf das, was die Bibel zur Bedeutung der Arbeit und die Verantwortung des arbeitenden Menschen zur ihn umgebenden Schöpfung sagt. Zunächst einmal: der Garten Eden ist nicht das Paradies, schon gar nicht das Schlaraffenland. Der Mensch ist nicht dazu bestimmt, die Hände auszustrecken und die süßesten Früchte vom Baum zu pflücken. Er ist zur Arbeit verpflichtet, denn der Garten Eden ist eben nur ein Garten, allerdings ein sehr fruchtbarer. Der Mensch muss arbeiten, um sich seine Existenzgrundlage zu erhalten. Die Arbeit ist ein notwendiger Bestandteil des Lebens. Zum Faulenzen ist der Mensch nicht geschaffen. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Allerdings muss er die Arbeit so gestalten, dass er seine Lebensgrundlage nicht gefährdet. Dazu ein Beispiel: der Markgraf von Baden verdiente viel Geld damit, den Schwarzwald abzuholzen und das Holz nach Holland zu verschiffen, wo es zum Schiffbau verwendet wurde. Bald aber stellte er fest, dass Durch das unkontrollierte Abholzen der Boden so stark erodierte, dass eine kahle Landschaft übrig blieb. Daher ordnete er an, dass nur so viel der Natur genommen werden darf, wie nachwachsen kann. Die gerodeten Flächen wurden mit schnell wachsenden Bäumen wie Tannen und Fichten wieder aufgeforstet. So erhielt der Schwarzwald sein heutiges Erscheinungsbild. Er hatte den heutigen Bibeltext richtig verstanden. Gott setzte den Menschen in den Garten Eden, dass er ihn so bebaute, dass er ihn bewahrte.

 

30. April 2020: "Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind.“ (Psalm 73,1)

Das heutige Losungswort ist die Überschrift zum wunderbaren 73. Psalm. Vielen von uns dürften die Sätze dieses Psalms aus dem Herzen gesprochen sein, geht es im ersten Teil doch um die Frage: Warum geht es den Schlechten gut und den Guten schlecht? Die Gottlosen verspotten Gott und nehmen keine Rücksicht auf ihre Mitmenschen. Auf Kosten anderer vermehren sie Macht und Reichtum. Unser Beter dagegen wird jeden Tag aufs Neue geplagt. Ob er chronisch krank ist oder unterhalb des Existenzminimums leben muss, erfahren wir nicht. Aber er leidet unter seinen Lebensbedingungen. Dennoch kommt er zu der Erkenntnis, dass nicht Macht und Reichtum, sondern die Gewissheit bei Gott aufgehoben zu sein, zu einem erfüllten Leben führen. „Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott , allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Das ist meine Freude, Dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den HERRN.“ ( Psalm 73, 23.26.28)

 

29. April 2020: „Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn.“ (Römer 12,11)

Im 12. Kapitel des Römerbriefs vergleicht Paulus die christliche Gemeinde mit einem menschlichen Körper. Kein Glied eines Körpers ist in der Lage alle Funktionen des Körpers alleine auszuführen. Jedes Glied ist Spezialist auf einem Gebiet (das Auge sieht, das Ohr hört, usw.) Nur im Zusammenspiel aller Kräfte kann ein Körper existieren. So verhält es sich auch mit der christlichen Gemeinde. Nur dann, wenn alle Gemeindeglieder Verantwortung für das Gemeindeleben übernehmen, jeder nach seinen Fähigkeiten, wird die Gemeinde zum Zeugnis gelebten Christentums in dieser Welt.

 

28. April 2020: "Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ (Johannes 10, 11a. 27-28a)

Der Wochenspruch dieser Woche erinnert stark an den 23. Psalm. Wie ein Hirte über seine Herde, so wacht Gott über die Menschen, die sich zu ihm halten. Er lässt es zwar nicht an einer gewissen Strenge fehlen, doch tut er alle, dass alle sicher leben können. Diese Sicht wird im Wochenspruch nicht nur auf Jesus übertragen, sondern auch  um einen wesentlichen Punkt erweitert. Wer Jesus nachfolgt, dem schenkt er das ewige Leben. Doch wann beginnt das ewige Leben? Ein Kapitel weiter gibt Jesus selbst die Antwort. Er war von Maria und Martha gebeten worden, zu ihrem Bruder Lazarus zu kommen, weil dieser schwer erkrankt war. Nun verzögert sich die Reise, und Jesus erreicht Bethanien, den Wohnort des Lazarus erst, als dieser schon vier Tage tot und bereits begraben ist. Martha klagt Jesus an: „ Wärst du hier gewesen, mein Bruder hätte nicht sterben müssen.“ „Dein Bruder wird auferstehen,“ entgegnet Jesus ihr. „ Ich weiß, dass er auferstehen wird,“ meint daraufhin Martha, „ bei der Auferstehung am jüngsten Tag.“ Doch Jesus antwortet ihr: „ Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ ( Johannes 11, 25).

Das ewige Leben beginnt also nicht erst nach dem Tod, auch nicht am Ende aller Zeiten, sondern in dem Augenblick, an dem ich zum Glauben an Jesus Christus komme. Dann ist der Tod nur das Ende einer Etappe. Der Weg Gottes mit dem Glaubenden geht weiter.

 

27. April 2020: "So richtet nun euer Herz und euren Sinn darauf, den Herrn, euren Gott, zu suchen." (1. Chronik 22,19)

Christlicher Glaube ist immer auch ein Perspektivwechsel. Als Christin oder Christ sehe ich mich nicht nur im eigenen Licht oder auch so wie mich andere sehen. Ich sehe mich auch, wie Gott mich sieht. Es macht meine Wahrnehmung auf die Welt und mich größer. So verstehe ich diesen Bibelvers. Gott suchen heißt, sehen wie Gott die Welt sieht und mich sieht.

Misericordias Domini,26. April 2020: "Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben." (Johannes 10,11+27-28)

 

Samstag, 25. April 2020: "Der HERR wird sich wieder über dich freuen, dir zugut, wie er sich über deine Väter gefreut hat.“ ( 5. Mose 30,9 )

Das Kapitel, in dem das heutige Losungswort steht, beantwortet die grundlegende Frage nach dem Verhältnis Gottes zu den Menschen, die ihm vertrauen. Wer Jahwe, dem Gott Israels und seinen Weisungen folgt, der gehört zum Volk Israel. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Nation jemand stammt oder welche Hautfarbe er hat. Wer aber anderen Göttern dient, der gehört nicht mehr zu diesem Volk, selbst dann nicht, wenn er weiterhin im gelobten Land wohnt. Gott liebt dieses Volk und hat es sich daher erwählt und seine Verheißungen ihm gegenüber erfüllt. Er hat den Erzvätern versprochen, dass er Israel zu einem großen Volk machen werde, dass er ihnen das Westjordanland schenken werde und es aus jeder Not befreien werde. Alle Verheißungen wurden erfüllt. Die Juden sind das einzige Volk des Altertums, das bis heute überlebt hat. Trotz Eroberung durch fremde Völker, trotz Zerstreuung in die ganze Welt, hält der Glaube bis heute alle Juden zusammen.

Das gilt ebenso für uns Christen. Bleiben wir in seinem Bund, steht er uns bei – in guten wie in schlechten Tagen. So verheißt es Jesus im heutigen Lehrtext: „Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie ich meines Vaters Gebote gehalten habe und bleibe in seiner Liebe. Das habe ich euch gesagt, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde.“ (Johannes 15, 10-11)

 

Freitag, 24. April 2020: „Herr, gedenke doch an deinen Bund mit uns und lass ihn nicht aufhören!“ (Jeremia 14, 21)

Ein strittiger Punkt im Gespräch mit den Baptisten ist für die landeskirchlichen Pfarrerinnen und Pfarrer das Verständnis der Taufe. Die Baptisten berufen sich auf die Geschichte von der Taufe des äthiopischen Kämmerers (Apostelgeschichte 8, 26-40). Dort erhält der Kämmerer von Philippus eine Taufunterweisung, an deren Ende sinngemäß die Frage steht: Glaubst du an Jesus Christus? Der Kämmerer beantwortet die Frage positiv und wird daraufhin von Philippus getauft. Das – so die Baptisten – ist das Vorbild unserer Taufpraxis. Erst dann wenn ein Erwachsener nach dem Hören der Predigt und einem eingehenden Taufunterricht „Ja“ zu Jesus Christus sagt, darf er getauft werden.

Entschieden anders sehen das die Reformatoren (Luther, Calvin, u.a.). Die Taufe ist kein Bekenntnis-, sondern ein Bundeszeichen. Gott hat mit Abraham, Noah, ganz Israel und durch Christus einen Bund mit den Menschen geschlossen; das heißt, Gott verpflichtet sich dem Menschen an allen Tagen seines Lebens beizustehen. Gott verbündet sich mit dem Menschen – nicht der Mensch mit Gott. Darum dürfen wir Kinder taufen, auch wenn diese den Sinn der Taufe noch nicht verstehen, aber wie Jeremia im Losungswort dürfen auch wir Gott immer wieder an diesen Bund erinnern.

 

Donnerstag, 23. April 2020: "Ich habe dich bereitet, dass du mein Knecht seist.  Israel, ich vergesse dich nicht." (Jesaja 44,21)

Das heutige Losungswort führt uns mitten hinein in die dunkelste Zeit der alttestamentlichen Geschichte. Die Babylonier habenIsrael erobert, Jerusalem zerstört und einen Großteil des Volkes nach Babylon in die Gefangenschaft abgeführt. Das Schlimmste aber war: der Tempel, der Ort der Begegnung mit Gott, war dem Erdboden gleichgemacht und die wertvollen Kunstschätze nach babylon verbracht worden. Der Glaube an Jahwe, den Gott Israel begann zu wanken.

Warum hat er nicht geholfen? Warum hat er das babylonische Heer nicht vernichtet, wie er es mit dem ägyptischen beim Auszug aus Ägypten tat?    In diese Situation hinein spricht der Prophet unser heutiges Losungswort:

"Israel, ich vergesse dich nicht!" Ich werde Kyros, den persischen Großkönig, zu meinem Werkzeug machen. Er wird das babylonische Reich erobern und dich, Israel,  ins gelobte Land zurückführen. Jerusalem und der Tempel werden wieder aufgebaut. Gemeinsam werden wir einen Neuanfang starten.  Wenige Jahre später hat sich diese Verheißung erfüllt.

Auch in unserer krisengeschüttelten Zeit entfaltet dieses Wort seine Hoffnung schaffende Kraft. Besagt es doch:    Gott bewahrt uns nicht vor jeglichem Leid, aber er bewahrt uns im Leid. Er erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber er steht zu dem, was er versprochen hat.

 

Mittwoch, 22. April 2020: "Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus." (Galater 3,26)

Kind-Sein - da schwingt ganz viel mit. Das Gefühl von Geborgenheit. Die Neugierde auf das, was gerade vor Augen ist. Die Fähigkeit, im Jetzt und Hier zu leben. Als Erwachsene fehlt mir das immer mal wieder. Darum ist es so gut zu lesen, zu hören, zu erfahren: Ihr seid Gottes Kinder. Du bist ein Kind Gottes. Das ist eine besondere Gabe - Gott sei Dank.

 

Dienstag, 21. April 2020: "Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!" (1. Korinther 16,13)

Ja und Amen. Und dazu den folgenden Vers beherzigen: "All eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!"

 

Montag, 20 April 2020: "Der Herr sprach: Dazu habe ich Abraham auserkoren, dass er seinen Kindern befehle und seinem Hause nach ihm, dass sie des Herrn Weg halten und tun, was recht und gut ist." (1. Mose 18,19)

Auf dem Weg nach Sodom ist Abraham. Dahin machen sich seine Besucher, die ihm und Sara die Verheißung eines Kindes gebracht haben, auf. Abraham begleitet seine Gäste. Noch weiß er nicht, was es mit Sodom auf sich hat. Da kommt Gott ins Spiel. "Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will?", so fragt sich Gott. Nein, das kann er nicht. Denn auf Abraham liegt die große Verheißung. Er und alle Abrahamskinder sollen tun, was recht und gut ist. Das ist ihre Aufgabe. Dazu sind sie bestimmt. Und Sodom steht für das genaue Gegenteil. Dort sind sie vom Weg Gottes abgekommen und tun nicht, was recht und gut ist. Darum soll Sodom untergehen. Gott spielt Abraham gegenüber mit offenen Karten. Und Abraham erweist sich als einer, der tut, was recht und gut ist. Denn er fragt Gott: "Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein" Und als Gott einlenkt, macht Abraham weiter: Und wenn nur 45 oder 40 oder 30 oder 20 oder zehn Gerechte in Sodom sind? Gott lässt sich von Abraham überzeugen. "Ich will sie nicht verderben um der zehn willen."

Tun, was recht und gut ist. Abraham erinnert selbst Gott daran. Und doch: Wo fängt es an, wo hört es auf? Wo fange ich an, wo höre ich auf? So einfach, wie es sich erst einmal anhört, ist es nicht: Tun, was recht und gut ist. Als Abrahamskinder ist es unser Auftrag, es zu versuchen - jeden Tag neu.

 

Quasimodogeniti, 19. April 2020: "Er behütete sein Volk wie einen Augapfel." (5. Mose 32,10)

Unter dieser Zusage stehen wir jeden Tag.

 

Samstag, 18. April 2020: "Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Schwalbe und Drossel halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen." (Jeremia 8,7)

Diese Worte Gottes durch den Propheten Jeremia an sein Volk gerichtet meinen ganz schlicht: Ihr haltet Euch nicht an das Recht - aber selbst die Vögel kennen es und richten sich danach. Eine ganz schöne Ermahnung.

Doch heute bleiben wir wohl eher bei etwas anderem hängen: Die Vögel kenne ihre Zeiten. Und sie richten sich danach. Wir alle können es in den Gärten beobachten und hören. Sie erwachen zu neuem Leben und gehen das Frühjahr an. Als ob es kein gestern und kein morgen gibt. Sie singen, bauen ihre Nester, brüten und suchen nach Futter. Sie tun das unermüdlich. Weil sie wissen, dass das jetzt dran ist. Und sie tun das ohne jeden Zweifel. Und sie hören nicht auf. Selbst die Tauben nicht, die unermüdlich die dicksten Äste auf die dünnsten Zweige legen - und keiner bleibt liegen. Doch sie alle tun das, was jetzt dran ist. Für neues Leben sorgen.

 

Freitag, 17. April 2020: "Sei mir ein starker Hort, Gott, dahin ich immer fliehen kann, der du zugesagt hast, mir zu helfen." (Psalm 71,3)

Immer wieder lesen wir solche Sätze in den Psalmen. Es sind Gebete oder Lieder für den Einzelnen oder auch für den Gottesdienst. Ob sie individuelle Texte sind mit einem persönlichen Hintergrund eigener Erlebnisse, Gedanken oder Gefühle oder ob sie eher eine Art Muster sind, die andere mitsprechen können, ist nicht so ganz sicher. Aber immer wieder gibt es diese Sätze. Sie könnten durchaus eine Vorlage sein für mein Gebet. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, wie jemand das aus eigener Erfahrung betet. Denn mir geht es manchmal genauso. Diese Gebetssätze schwanlen zwischen dem "Festen Glauben an Gott und der Festen Zuversicht auf seine Hilfe" und dem "Sich gleichsam es selbst sagen und Gott daran erinnern, dass er da ist." Also ein Gebetssatz für Glaubende und Zweifelnde!

 

Donnerstag, 16. April 2020: "Wehe denen, die weise sind in ihren eigenen Augen und halten sich selbst für klug!" (Jesaja 5,21)

Schon zu normalen Zeiten nerven sie: Keine Ahnung aber eine Meinung. Ok. Aber muss ich das dann jedem ungefragt auf die Nase binden, tausenfach teilen, andere mit meinem Nichtwissen verunsichern, angst machen oder im besten Fall nur nerven. Ich (Robert Arndt) muss nicht von jedem die Welt erklärt bekommen. "Einfach mal die Klappe halten." In diesen Zeiten nerven die, "die sich selbst für weise halten", noch mehr. Da erklärt mir jemand im Brustton der Überzeugung, dass jetzt alles gelockert werden muss und wir dann ein paar Tote mehr in Kauf nehmen müssen. Rechnet mir genau vor, wie lange es dann dauert und wie groß der "Schaden" wäre. Mein bescheidener Einwand: "So sicher ist das aber nicht", wird nicht gehört. Und dann wird plötzlich das völlige Gegenteil erzählt. Von einem Bekannten, der das Virus hatte und wie schlimm es war. Meine Reaktion: "Tja, und was sollen wir jetzt tun? Zu dem, was Sie gerade gesagt haben, passt das jetzt aber nicht." Schweigen: "Ach, ich weiß ja auch nicht." Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es geht mir hier um die, die den Eindruck erwecken, dass sie alles wüssten und mir die Welt erklären.

Das ist für mich etwas völlig anderes als miteinander zu sprechen. Unsicherheit zeigen zu können. Seine Meinung zu ändern, weil ich selbst nicht weiß, was richtig ist. Da bin ich hin- und hergerissen. Da ist es gut, miteinander zu reden. Auch wenn es dann doch irgendwie immer dasselbe ist. Aber nur so geht es. Aber dann bitte als gemeinsam Suchende.

 

Mittwoch, 15. April 2020: "Paulus schreibt: in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben." (2. Korinther 6,1+10)

Ein typischer Gedankengang von Paulus. Er unterscheidet immer wieder zwischen den sagen wir mal "äußeren Umständen" und dem, was dahinter oder darunter liegt. Platt gesagt: "Als Christ habe ich so eine große Hoffnung und Freude, dass mir die nichts auf der Welt nehmen kann." Paulus war wohl ein kränklicher Mensch: Magenbeschwerden, Depressionen. Er muss darunter heftigt gelitten haben. Und doch sagt er immer wieder: Das alles kann mir nichts anhaben, denn ich fühle mich von Gott befreit und geliebt.

 

Dienstag, 14. April 2020: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten." (1. Petrus 1,3)

Die Hoffnung stirbt zuletzt - sagt man seit ein paar Jahren. Als Christinnen und Christen müssten wir es eigentlich anders sagen: "Die Hoffnung stirbt nie!" Denn sie hat einen Grund, sozusagen eine Basis, auf der sie aufbaut, auf der sie getragen wird. Und diese heißt Gott bzw. Jesus Christus. Da wo es nichts mehr zu hoffen gab, da wo alles aus war - mit dem Tod und mit allen Träumen von einem besseren leben. Das hat Jesus sozusagen die Hoffnung nicht aufgegeben. Und Gott auch nicht. Selbst da, wo unsere menschliche Hoffnung nur wirklich an die Grenzen kommt, da ist die von Gott geschenkte Hoffnung lebendig.

 

Ostermontag, 13. April 2020: "Jakob zog seinen Weg. Und es begegneten ihm die Engel Gottes." (1. Mose 32,2)

Abschied und Neuanfang bei Jakob. 20 Jahre hat er für seinen Schwiegervater Laban gearbeitet. Immer wieder hat der ihn hintergangen. Ihm mehr versprochen als er dann gehalten hat. Nach 20 Jahren steht Jakob auf und geht. Er geht oder flieht vielmehr mit allen, die zu ihm gehören: Frauen, Kinder, Vieh. Sein Schwiegervater setzt ihm nach. Fast kommt es zu einem Showdown. Schließlich geht es um viel. Doch am Ende einigen sie sich, dass die Trennung das Beste ist. Der Abschied ist geschafft. Der Neuanfang steht noch bevor. Da begegnet Jakob den Engeln Gottes. Für ihn das Zeichen: Es geht weiter. Und Gott ist bei ihm. Er ist in Gottes Hand. So zieht er seinen Weg dem Neuen entgegen.

Abschied und Neuanfang - darum geht es Ostern. Abschiednehmen von manchem Traum, den die Freunde Jesu geträumt haben. Dass Jesus der neue König ist und die Römer vertreibt. Abschiednehmen von der menschlichen Hybris, dass wir schon alles im Griff haben. Jesus gibt sich ganz in Gottes Hand. "Ich befehle meinen Geist in deine Hände." (Psalm 31,6) Und dann ensteht Neues, dann kommt das Leben neu - Auferstehung.

 

Ostersonntag, 12. April 2020: "Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war." (Markus 16,2-4)

Der Stein ist weggewälzt, die Sonne scheint. Die drei Frauen kommen voller Sorge, mit ihrer Frage. Doch auf einmal ist alles anders. Die Sorge verflogen, die Frage löst sich auf. Denn der Stein ist weggewälzt. Etwas Neues beginnt. Wenig später hören sie: "Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier."

Das feiern wir Ostern: Etwas Neues beginnt. Das Leben siegt. Darum frohe und gesegnete Ostern. Denn es gilt auch heute: Er ist auferstanden!

 

Karsamstag, 11. April 2020: "Wenn unsere Vergehen gegen uns sprechen, Ewiger, so handle um deines Namens willen." (Jeremia 14,7)

Heute ist der Tag der Grabesstille. Alle Hoffnung, die mit dem Namen Jesus verbunden war, liegt nun in seinem Grab. Nichts geht mehr. Nichts kommt mehr. So geht es den Freundinnen und Freunden Jesu. Vielleicht erinnern sie sich an das Wort des Propheten Jeremia. Auch da ging nichts mehr. Eine große Dürre war über das Land gekommen. Arm und reich - alle waren davon betroffen. "Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihr Haupt." (Jeremia 14,3) Nichts geht mehr. Nichts kommt mehr. Da sagen welche: Selbst wenn alles gegen uns spricht. Gott, weil du Gott bist, mach es wieder gut.

Mach es wieder gut. Das ist der Ruf, den der Liederdichter Paul Gerhardt in seinem großen Passionslied 'O Haupt voll Blut und Wunden' (Evangelisches Gesangbuch 85) in den Strophen 4 und 5 so ausdrückt:

Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat.
Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.
                                 Erkenne mich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan;
dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost,
dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust. 
     

Gott handelt um seines Namens willen. Darum kommt Ostern.

 

Karfreitag, 10. April 2020: "Er selbst hat unsere Sünden getragen am eigenen Leib ans Holz hinauf, damit wir den Sünden absterben und der Gerechtigkeit leben; durch seine Striemen wurdet ihr geheilt. Denn ihr irrtet umher wie Schafe, doch jetzt seid ihr zurückgekehrt zum Hirten, zum Beschützer eurer Seelen." (1. Petrus 2,24-25)

Karfreitag - Leid, Schmerz, Tod sind im Blick. Leid, Schmerz und Tod Jesu. Für uns erlitten, ertragen, auf sich genommen. Für uns und unser Heil. Der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer, der gestern vor 75 Jahren von den Nazis hingerichtet wurde, schreibt dazu:
"Wir müssen uns immer wieder sehr lange und sehr ruhig in das Leben, Handeln, Leiden und Sterben Jesu versenken, um zu erkennen, was Gott verheißt und was er erfüllt. Gewiss ist, dass im Leiden unsere Freude, im Sterben unser Leben verborgen ist; gewiss ist, dass wir in dem allen in einer Gemeinschaft stehen, die uns trägt."

 

Gründonnerstag, 9. April 2020: "Als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg." (Markus 14,26)

Gestern begann das jüdische Passah-Fest. Mit diesem mehrtägigen Fest erinnert sich das jüdische Volk an die Befreiung aus Ägypten. Am Tag vor seiner Hinrichtung feierte Jesus mit seinen Jüngern auch das Passah-Fest. Ein Fest der Befreiung. Bei der Feier Jesu mit seinen Jüngern nahm Jesus den Kelch und das Brot und begründete damit sozusagen das, was wir Christen Abendmahl nennen und feiern. Doch es legte sich auf das Fest von Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden mehr als ein Schleier. Er wusste nur zu genau, dass jemand am Tisch ihn verraten würde. Und er schickte Judas nicht einfach weg. Er durfte bleiben. Jesus wusste nur zu genau, dass er den nächsten Tag wohl nicht überleben würde. Das hinderte ihn aber nicht daran, mit seinen Freundinnen und Freunden zusammen zu sein. Ganz im Gegenteil.

Mit dem Bibelvers wird sozusagen der letzte Gang Jesu in Freiheit beschrieben. Nach dem gemeinsame Essen, dem Singen der Lobgesänge, da geht die ganze Gruppe mit Jesus in den Garten, hinaus zum Ölberg. Dort wird er dann verhaftet werden und am nächsten Tag zum Tode verurteilt werden.

 

Mittwoch, 8. April 2020: "Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus." (Psam 51,14)

Wir sind in der Karwoche, der Woche, die mit dem Osterfest am Sonntag endet. Doch im Gegensatz zum Beispiel zu Weihnachten ist die Zeit vor dem Osterfest nicht einfach das langsame Steigern der Freude bis zum eigentlichen Fest. Vor dem Fest des Lebens am Sonntag "passiert" sozusagen noch eine ganze Menge. Vor dem Fest der Auferstehung, des neuen Anfangens und des Lebens liegt der Tod. Der Tod Jesu am Kreuz. Vor dem Fest des Lebens gibt es Verzweiflung, Trauer und Mutlosigkeit. Die müssen nicht unbedint einem Lebensfest und einem Neuanfang vorausgehen, aber sie können es. Eben weil sie Teil unsere Welt sind. Zur Vorbereitung auf das Fest des Lebens gehört auch manch dunkles Tal.

In Taizè wird jeden Sonntag Ostern gefeiert. Und das ist auch so. Das Leben können und dürfen wir jede Woche feiern. Denn wie der Beter des Psalm können wir darauf vertrauen, dass nach einem dunklen Tal auch wieder die Freude stehen wird. Dass Gott in den Tälern des Lebens da ist und wir uns mit ihm freuen können, wenn wir wieder das Leben feiern können.

 

Dienstag, 7. April 2020: "Der Herr, der König Israels, ist bei dir, dass du dich vor keinem Unheil mehr fürchten musst." (Zefanja 3,15)

Daran wollen wir uns festmachen.

 

Montag, 6. April 2020: "Jesus spricht: Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme." (Johannes 18,37)

Jesus steht als Angeklagter vor Pilatus, dem römischen Statthalter. Die konkrete Anklage bleibt irgendwie in der Schwebe. Es geht, das wird deutlich, um die Frage: Wer hat die Macht? Wer ist König? So fragt Pilatus Jesus zweimal: Bist du der Juden König? Bist du ein König? Doch die beiden reden aneinander vorbei. Denn Jesus hat eine ganz andere Macht im Blick als Pilatus. Pilatus hat die Macht eines Königs vor Augen. Und als ein anderer König könnte er ihm und der römischen Herrschaft gefährlich werden. Für Jesus geht es um die Macht Gottes in und für die Welt. So sagt er auch: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Diese Macht hat ihre Grundlage in der Wahrheit - oder vielleicht besser: der Wahrhaftigkeit. Dafür steht Jesus - für die Wahrhaftigkeit Gottes in und für die Welt. Und Pilatus stellt am Schluss der Szene die große Frage: "Was ist Wahrheit?" Eine Frage, auf die wir bis heute immer wieder neu Antworten finden müssen.

 

Palm-Sonntag, 5. April 2020: "Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!" (Johannes 12,12-13)

Heute beginnt die letzte Woche vor Ostern. Nach fünf Wochen Passions-Zeit in der Vorbereitung auf Ostern beginnt nun die Woche der letzten Vorbereitung, die sogenannte Karwoche. Ein "Feiertag" folgt sozusagen auf den nächsten: Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Osternacht, Ostersonntag, Ostermontag. Und jeder Tag hat ein eigenes Gepräge: Freude, Jubel, Abschied, Freundschaft, Schuld, Vergebung, Tod, Einsamkeit, Hoffnung, Auferstehung, Zweifel, Freude, Leben. Neubeginn. Das ganze Leben in einer Woche! Und deswegen folgt in dieser Woche auch ein Gottesdient auf den anderen. In diesem Jahr nicht. Auch Osterurlaub- und Osterrituale in der größeren Familie wird es nicht geben. Keine Besuche, keine Ausflüge. Doch Ostern wird es trotzdem geben - und auch alle Tage der Karwoche in der Vorbereitung.

Vielleicht wird uns - wie vieles andere ja auch - die Osterzeit und die Karwoche dadurch noch bewusster. Wir feiern und gedenken in dieser Woche, was zu unserem Leben dazugehört. So folgt der Verzweifelung des Karfreitags die Lebensfreude am Ostertag. So folgt dem Abschiednehmen am Gründonnerstag die Freude des Wiedersehens am Ostermorgen. So folgt der Furcht nach Jesu Tod die Zuversicht der Auferstehung.

Heute beginnt diese Lebenswoche mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Die Erwartung vieler Menschen an Jesus ist grenzenlos. Er ist für sie der Retter und der neue König. Wie unstet so eine Erwartung sein kann, zeigt sich wenige Tage später, wenn die Menge ruft: "Kreuzige ihn!" Die Erwartung der Menge auf einen politischen Umsturz konnte Jesus nicht erfüllen. Er hat aber in seinem Leben und Sterben gezeigt, dass das Leben immer größer ist als der Tod. Und das hatte keiner erwartet.

 

Samstag, 4. April 2020: "Gottes unsichtbares Wesen - das ist seine ewige Kraft und Gottheit - wird seit der Schöfpung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken." (Römer 1,20)

Die Sonne strahlt, der Frühling lockt. Auch wenn vieles anders ist in diesen Tagen. Ich schaue immer wieder aus nach Gottes unsichtbarem Wesen. Und entdecke es hier und da. Die Sonnenstrahlen künden davon. Die Hilfsbreitschaft auch. Das tut einfach gut.

 

Freitag, 3. April 2020: "Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit." (Epheser 5,8-9)

 

Donnerstag, 2. April 2020: "Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jetzt verkündige ich deine Wunder." (Psalm 71,17)

Zurückblicken und dankbar sein - das klingt aus diesem Psalmwort. In Zeiten, in denen alles aus dem Ruder läuft, tut es gut, sich zu erinnern. Da war und ist viel Gutes. Da gibt es einen Grund, auf dem ich stehe. Und dafür danken. Vielleicht mit den Worten eines alten Liedes aus der Zeit des 30-jährigen Krieges: "Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden. Der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zugut bis hierher hat getan." (Martin Rinkart, 1636 - Evangelische Gesangbuch 321). Dankbar sein für die kleinen und großen Wunder des Lebens. Ich nehme mir vor, jeden Tag drei Dinge zu entdecken, für die ich dankbar bin. Im Rückblick auf gestern waren das: ein Telefonat mit einer Freundin, die Runde mit dem Rad bei schönstem Sonnenschein und das Gebet an einem Sterbebett.

 

Mittwoch, 1. April 2020: "Jesus sprach zu seinen Jüngern: Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen."

Fast könnten wir es vergessen, dass wir momentan in der Passionszeit leben. Eigentlich eine bewusste Zeit - traditionell mit Fasten -, um sich sozusagen auf das Osterfest vorzubereiten. Ein bisschen nach dem Motto: Die Freude auf Ostern soll sich aufbauen! Eine Zeit des Verzichts vor dem großen Fest! Sei Leben bewusst etwas runterzufahren, um dann um so mehr das volle Leben an Ostern zu genießen. In diesem Jahr also keine Passionszeit? Oder doch: Für alle aus der aktuellen Situation heraus? Nein und nein! Die Passionszeit ist eine bewusste Vorbereitung auf Ostern. Und in diesen Tagen bereiten wir uns auch auf Ostern vor. Anders als sonst, ander auch als geplant. Wir müssen umplanen und Ostern anders feiern. Aber wir bereiten uns darauf vor. Und das sollten wir auch: Uns vorbereiten auf das große kirchliche Fest des Lebens. Auf das Fest der Auferstehung - dass Tod und Sterben besiegt sind. Und dass die Freude am Ende stehen wird. Darauf sollten wir uns jetzt vorbereiten.

 

Dienstag, 31. März 2020: "Jene, die fern sind, werden kommen und am Tempel des Herrn bauen." (Sacharja 6,15)

Wie geht es weiter? Eine Frage, die viele beschäftigt. Wann ist ein Ende der Einschränkungen absehbar? Wann wird alles wieder normal? Weitere Fragen, die bewegen. Antworten auf die Fragen bleiben ungenau, müssen ungenau bleiben. Denn niemand kann die Zukunft vorhersagen. Auch wenn viele es immer wieder versuchen. Das ist heute nicht anders als zur Zeit des Propheten Sacharja. Der Prophet gibt kein Datum an, wann der zerstörte Tempel wieder aufgebaut sein wird. Doch er ist gewiß: Der Tempel wird wieder aufgebaut. Und er wird zum Zentrumwerden, zu dem alle Welt kommen wird - aus nah und fern. Diese Botschaft gibt Kraft. Ja, es geht weiter. Garantiert. Dafür steht Gottes Treue.

Montag, 30. März 2020: "Jesus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen." (Johannes 6,37)

Gibt es Nähe ohne räumliche Nähe? Wenn Abstand-Halten das Gebot der Stunde ist, um seine Lieben zu schützen, auf jeden Fall. Gerade denen ich mich verbunden fühle, denen ich sonst so nahe bin, gerade zu denen muss ich jetzt räumliche Distanz halten. Zumindest wenn sie nicht in einer Wohnung mit mir leben. Das weiß ich. Das ist richtig so. Und doch fällt es schwer. Zumal ich mich frage, wie lange es andauern wird. Es gibt heute Möglichkeiten, sich nahe zu sein, trotz räumlicher Distanz. Telefon, Video-Chat usw. Das ist gut. Und es hilft und tut gut. Doch das persönliche Sehen fehlt, auch die Berührung. Bei Gott war das mit den Sehen und dem Berühren schon vor Corona anders als zwischen zwei Menschen. Doch das Gefühl des Angenommen-Seins, des Gehalten-Werdens und des Sich-Getröstet-Fühlens kann auch jenseits von räumlicher Nähe entstehen. 

Sonntag Judika, 29. März 2020: "Wenn mein Geist in Ängsten ist, dann kennst du doch meinen Pfad." (Psalm 142,4)

Die Worte des 142. Psalms werden in der biblischen Überlieferung David in den Mund gelegt "als er in der Höhle war". Die Geschichte dazu geht so: König Saul sieht in David einen Rivalen, den er beseitigen will. David nimmt daraufhin reiß aus und geht mit seinen Leuten ins Gebirge. Saul setzt ihm mit dreitausend Mann nach. David versteckt sich in einer Höhle. In genau diese Höhle geht Saul, als er einem menschlichen Bedürfnis nachgeht. David und seine Leute sehen Saul. Es wäre ein leichtes, Saul jetzt zu besiegen. Davids Leute hoffen darauf. Doch David schleicht sich an Saul heran und schneidet einen Zipfel von dessen Kleidung ab und zieht sich wieder zurück. Erst als Saul wieder aus der Höhle herausgegangen ist, geht David ihm nach und zeigt ihm den Stoffzipfel. Da erkennt Saul: David will ihn nicht vernichten. "Du hast mir Gutes erwiesen; ich aber habe dir Böses erwiesen." so sagt Saul zu David. (1. Samuel 24)

Aus der Angst vor dem Verfolger wird bei David nicht Rachlust. Er geht einen anderen Pfad, Gottes Pfad. Wenn mein Geist in Ängsten ist, dann hoffe ich auch, dass nicht Rachlust, Egoismus und Neid die Überhand gewinnen sondern Solidarität, Großherzigkeit und Menschenliebe.

Samstag, 28. März 2020: "Wirf dein Herz mit seinen Sorgen Gott auf seinen Rücken, denn er hat einen starken Hals und Schultern, dass er es wohl tragen kann." (Martin Luther, aus Fastenaktion 7 Wochen ohne)

Freitag, 27. März 2020: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der HERR kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeden nach seinem Tun.“ (Jeremia 17, 9-10)

Ja, in der Tat. Trotzig und beherzt möchte ich mich dem widersetzen, was gerade hier bei uns und rund herum auf dem ganzen Erdball geschieht. Aber ebenso verzagt und mutlos im Herzen kann ich bei manchen Gedanken schon werden, angesichts dessen, was da über uns hereinbricht. Zwischen diesen beiden Extremen tun sich Spannungen auf, und dies jeden Tag neu. Eine echte Krise, mehr oder weniger für jeden von uns. Ob in Familien, bei der Arbeit oder unserem sonstigen sozialen Umfeld. Überall sind wir herausgerissen aus vielen unserer Gewohnheiten und vermeintlichen Gewissheiten. Fehlen uns plötzlich Beziehungen und Miteinander. Ist das die göttliche Prüfung auf Herz und Nieren, die der Prophet Jeremia da in der heutigen Tageslosung beschreibt? Man mag meinen ja. Denn wir ahnen, dass das alles, je länger es noch andauern wird uns auch noch gehörig an die Nieren gehen wird!

Nicht nur redensartlich sind unsere Nieren ein empfindsames Organ. Nicht nur von überflüssigem Wasser und Giftstoffen befreien sie unseren Körper. Auch für Hormonhaushalt, Blutdruckregulierung und Blutbildung sind sie u. a. mit verantwortlich. Und wenn nur eine dieser Funktionen aus dem Ruder läuft, fühlen wir uns mit Recht schlecht. Nicht umsonst hat uns die Natur gleich mit zwei dieser Organe versehen. Das Herz, nicht minder fein und komplex gebaut, haben wir dagegen nur einmal. Um uns immer und überall mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen, schlägt es, Tag ein, Tag aus. und ohne Pause! Mithin ist es (über-) lebenswichtig! Ebenso wichtig erachten viele von uns es als einen besonderer Ort für unser Seelenleben. Schon die alten Anatomen verorteten hier das Zentrum unseres Körpers. Dichter, Philosophen und auch wir weisen ihm die Wohnstätte von Eigenschaften und Gefühlen wie Liebe, Stärke und Vertrauen zu.

Um Vertrauen geht es auch Jeremia. Um unser Vertrauen zu dem Gott, der alles gemacht hat und nach seinem Willen erhält oder vergehen lässt. Dem Gott, der uns bedingungslos sein Vertrauen schenkt. Ich denke, im Glauben an diesen Gott besteht unsere immerwährende Prüfung. Darin gerade jetzt seine Liebe und sein Vertrauen zu erwidern. Indem wir uns besinnen und unsere Herzen öffnen. Und uns gerade jetzt Gott und den Menschen zuwenden. Auch wenn es nur wenig ist, was wir gerade tun können. Aus unserem Tun für unsere Mitmenschen schöpfen wir Selbstvertrauen und Zuversicht.

Wenn uns Gottes Geist erfüllt und seine Stärke in uns wohnt. Dann ist jetzt kein Platz für Verzagtheit! In diesem Sinne, bleibt gesund und behütet! (Dirk Elsenbruch)

Donnerstag, 26. März 2020: "Denn eine solche gottgewollte Traurigkeit bewirkt eine Änderung des Lebens, die zur Rettung führt - und die bereut man nicht." 2. Korinther 7,10
In Korinth ist die Gemeinde zerstritten. Der Apostel Paulus legt mit seinem Brief an die Gemeinde den Finger in die Wunde. Unverblümt schreibt er ihnen, was alles nicht in Ordnung ist. In erster Linie ist es die fehlende Solidarität, die die Gemeinde entzweit. "Vielleicht habe ich euch durch meinen Brief traurig gemacht." So schreibt er. Doch diese Art Traurigkeit, die Traurigkeit über die eigenen Fehler, lässt sich ändern. Und darum geht es ihm, darum geht es immer wieder. Das bewirkt eine Änderung, die Leben ermöglicht.
Auf den ersten Blick scheinen Paulus und die Korinther weit weg von uns und unserer Situation. Und dann auch irgendwie nicht.

Mittwoch, 25. März 2020: "Alle miteinander bekleidet euch mit Demut." (1. Petrus 5,5)
Die Mahnung des Apostels Petrus in seinem Brief an verschiedene Gemeinden ist für viele Menschen unserer Zeit zeimlich unverständlich. Was soll Demut sein? Zurückstecken, Sich-Klein-Machen, Bescheidenheit? Vielleicht. Doch das sind wohl kaum die Tugenden, die heute als erstrebenswert gelten: Sich-Verkaufen-Können, Sich-Ins-Rechte-Licht-Setzen, Selbstbewusstsein ausstrahlen, Für-Sich-Kämpfen, Chancen-Nutzen. Was soll ich damit anfangen: demütig sein? Hat sich das in den vergangenen Tagen geändert. Wir merken auf jeden Fall, dass nicht alles selbstverständlich ist. Wir merken, wie unwichtig manches erscheint, dass bis vor Tagen noch so wichtig schien. Wir merken, was wir im Leben eben nicht in der Hand haben und wie zerbrechlich manches ist. Und das ist Demut. Um seine Grenzen wissen. Darum wissen, dass das wichtigste im Leben Geschenk ist. Das muss uns kein Virus lehren. Das wussten wir - ehrlich gesagt - schon vorher. Aber bewusster wird es uns allen gemeinsam in Zeiten wie diesen.

Dienstag, 24. März 2020: "Darum lassen auch wir nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht." (Kolosser 1,9)
Der Kolosserbrief ist in einer Krisenzeit geschrieben worden. Die frühen chrstlichen Gemeinden fragten sich: Wie geht es jetzt weiter mit uns? Was macht unseren Glauben an Jesus, den Christus aus? Sie wußten nicht, wie es genau weitergeht. Und sie haben gebetet - füreinander. Das können wir auch tun: Beten um Kraft, um Gelassenheit, um Segen. Und bitten für Pflegekräfte, Verkäufer*innen, Erkrankte und ihre Angehörigen ... Bleiben wir so dran - in Gedanken, im Gebet.

Montag, 23. März 2020: "Gott, du bist es allein, du hast gemacht den Himmel und aller Himmel Himmel mit ihrem ganzen Heer, die Erde und alles, was darauf ist, die Meere und alles, was darinnen ist." (Nehemia 9,6)
Christinnen und Christen glauben daran, dass Gott seine Welt in den Händen hält. Sie glauben immer noch an sein Versprechen nach der großen Sintflut, die Erde nicht mehr zu zerstören: "So lange die Erde steht sollen nicht vergehen, Frost und Hitze, Saat und Ernte!"

Sonntag Lätare, 22. März 2020: "Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt!" Jesaja 66,10
Sie haben viel mitgemacht, die Stadt Jerusalem und ihre Bewohner*innen, zur Zeit des Propheten Jesaja. Belagerung, Zerstörung, Evakuierung der Bevölkerung - alles dabei. Da könnten sie mutlos werden und freudlos dazu. Aber Jesaja stimmt einen anderen Ton an: Freuet euch! Seht auch das, was gut ist und schön! Bei allem, was schwer war und ist. "Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid." Leid, Schmerz, Unsicherheit - sie haben nicht das letzte Wort. Freude und Leben sind auch da. Und am Ende sowieso. Darum geht es am Sonntag Lätare (zu deutsch: Freuet euch!) in der Mitte der Passionszeit. Trotz allem Schwerem - freut euch.

Samstag, 21. März 2020: "Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren." (Philipper 4,7)
Diese Worte schreibt Paulus am Ende seines Briefes an seine Lieblingsgemeinde in Philippi (Nordgriechenland). Es sind Segensworte, gute Worte, Wünsche: Gott bewahre Euch! Eure Herzen und Sinne! In Christus! Das macht Gottes Frieden. Gottes Frieden ist für mich das Gefühl einer großen Gelassenheit, das Gefühl, es wird mir nichts passieren. In der Bibel ist das Wort Friede nicht unbedingt immer das Gegenteil von Krieg, oft ist es der Gegensatz zu Angst. Angst, die lähmt, die verunsichert, völlig unsinniges tun lässt. Gott schenkt uns seinen Frieden in unsere Herzen und Sinne. Klingt zu schön um wahr zu sein? Vielleicht. Aber deswegen ist der Friede Gottes auch größer als alle Vernunft, eben nicht vollständig raltional zu verstehen. Darum geht es aber auch gar nicht.

Freitag, 20. März 2020: "Denn er bewahrt mich in seiner Hütte am Tag, an dem mir Unheil droht. Er bietet mir Schutz unterm Dach seines Zeltes." (Psalm 27,5)
Mutmachend - so empfinde ich (Rahel Schaller) die Worte des Psalmbeters. Er macht mir Mut, darauf zu vertrauen: da ist einer, der uns behütet - oder genauer, der uns alle behüttet. Bewahrt in der Hütte Gottes - was für ein schönes Bild. Einer Hütte fehlen starke Mauern, feste Türen. Eine Hütte bietet Schutz bei all ihrer Zerbrechlichkeit. Solchen Schutz brauchen wir gerade in diesen Tagen, an denen uns das schwer fassbare Unheil eines Virus droht, und wir alle miteinander spüren, wie zerbrechlich alles ist. Fast trotzig beginnt der Beter seinen Psalm: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?" Darin schwingt all' die Unsicherheit mit und gleichzeitig die Gewißheit: Ich bin gut behüttet. Bleiben auch Sie gut behüttet.

Donnerstag, 19. März 2020: "Gott wandte sich Israel wieder zu um seines Bundes Willen mit Abraham und wollte sie nicht verderben - er verwarf sie auch nicht von seinem Angesicht bis auf diese Stunde." (2. Könige 13,23)
"Bleiben Sie gesund!" So enden seit einigen Tagen Telefonate, Mails und Nachrichten. Das ist schön. Zeigt es doch, dass viele verstanden haben, um was es geht und was jetzt das Wichtigste ist. Meine (Robert Arndt) Mails unterschreibe ich seit einigen Tagen mit "Bleiben Sie gesund und gesegnet!" Vielleicht ist der Segen das Schönste, was ich als Pfarrer tue. Am Ende des Gottesdienstes, bei Taufe, Trauung und Konfirmation mit Handauflegung, als Abschied bei der Beerdigung oder einfach so. Viele Menschen lassen sich vom Segen anrühren, spüren die Segenskraft Gottes. Segen geht jetzt nur doch digital. Aber er wirkt genauso. Weil Gott an seiner Zusage, seinen Bund mit uns festhält. Auch und gerade in diesen Tagen. Bleiben Sie gesund und gesegnet!

Mittwoch, 18. März 2020: "Jesus spricht: Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen." (Matthäus 11,29)
Ruhe finden nach den letzten unruhigen und aufregenden Tagen – schön wärs … Und ganz schnell kommt das ‚Aber‘. Aber wie geht es weiter? Aber wir müssen doch etwas tun können. Aber … So finde ich keine Ruhe – nicht für mich, nicht für meine Seele.
Eine Last tragen, dass müssen in diesen Tagen alle: das Personal in den Krankenhäusern, die Mitarbeitenden in Schulen und Kitas, die Eltern zu Hause, die Politiker*innen – die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Denn es ist eine Last, dass wir auf Abstand bleiben müssen, wo wir doch soziale Wesen sind, dass der normale Alltag unterbrochen, ja abgebrochen ist, dass wir im Ausnahmezustand leben.
Das Joch, die Last tragen – und uns nicht erdrücken lassen, darum geht es jetzt. Innere Ruhe finden, die mich trägt und die mich mit ganz vielen verbindet.

Dienstag, 17. März 2020: "Übe Dich darin, den Willen Gottes zu tun!" (1. Timotheus 4,7)
Was soll ich jetzt tun? Diese Frage haben wir uns in den vergangenen Tagen wohl alle mehrfach gestellt. Manche Überlegung, das eine oder andere besser zu lassen oder nicht, ist dann durch neue Regelungen, die unser Leben einschränken, überflüssig geworden. Doch wie soll ich mich in der neuen Situation verhalten? Kontakt zu den Eltern, Kinderbetreuung, Hamstern? Ein Blick in die Regale könnte die Vermutung nahe legen, dass Toilettenpapier das wichtigste Produkt für viele Menschen ist. Nein, keine Scherze. Was ist zu tun? Besonnen bleiben und bei allem Abstand beieinander bleiben. Hoffentlich gelingt es uns.

 

 

Gemeindebüro

Evangelische Kirchengemeinde Goch
Markt 4
47574 Goch

Daniela Morio
Sandra Boumans

Das Gemeindebüro ist geöffnet:

Dienstag und Freitag 9 bis 12 Uhr
Dienstag 17 bis 19 Uhr

Telefon 02823 929 68 20

Kindertagesstätte

Evangelische Integrative Kindertagesstätte
Familienzentrum

Standort Niersstraße 1a, 47574 Goch
Telefon 02823 2191

Standort Hinter der Mauer 101, 47574 Goch
Telefon 02823 4195105

Leitung: Esther Müller, Dörthe Vermeulen, Gabi Perret

Email:

Öffnungszeiten
Montag bis Freitag 7 bis 17 Uhr

Gemeindeteam

Pfarrer Robert Arndt
Telefon 02823 919064,

Pfarrer Albrecht Mewes
Telefon 02823 8796164,

Pfarrerin Rahel Schaller
Telefon 02823 6988,

Pop-Kantorin Anne Hartmann
Telefon 0171 1001942,  

Küster Norbert Tiede
Telefon 0171 2673068,

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.